Teatro Barocco: Alte Theaterregie statt modischen Regietheaters

Bernd Bienerts jüngstes Projekt konfrontiert eine dramatische Szene von Joseph Haydn mit einer Komödie von Georg Anton Benda und setzt die beiden Entdeckungen in eine historisierende Szenerie.

An diesem Abend in Baden ist alles ungewöhnlich. Mit Ausnahme vielleicht der musikalischen Grundlage, denn an das Klangbild, das historische Instrumente malen, haben wir uns gewöhnt. Doch der originelle Theatermacher Bernd Roger Bienert hat aus der Originalklangpraxis die Konsequenzen gezogen und wählt sie als Grundlage für seine Rekonstruktionen spätbarocker Musiktheatergepflogenheiten. So entstand die Originalszene zum Originalklang.

Letzterer ist ja in Wahrheit weniger leicht zu verifizieren als das, was Bienert auf die Bühne stellt. Von der musikalischen Realität der Mozart-Zeit haben wir naturgemäß keine Tondokumente. Die Spieler müssen sich auf schriftliche Kommentare und Analysen verlassen und diese deuten. Für den Regisseur aber gibt es zu vergleichbaren gedruckten theoretischen Dokumenten auch Bilder. Und zwar in erstaunlicher Fülle.

So sehen wir anlässlich der jüngsten Produktion von Bienerts Teatro Barocco im Congress Casino nicht nur originalgetreue Kulissen, sondern Haydns Ariadne trägt auch ein Kostüm, wie man es einst bei einer Aufführung zu Lebzeiten des Komponisten einer Ariadne-Darstellerin auf den Leib geschneidert hat. Weil Bienert offenen Auges durchs Leben marschiert, nicht nur, um menschliche Charaktere zu studieren, um sie lebensecht auf die Bühne bringen zu können, sondern auch stets auf der Suche nach historischen Dokumenten, hat er im Burgtheater ein Gemälde entdeckt: Es zeigt Katharina Jacquet als Ariadne.

Antikes Leid und Rokoko-Tändelei

Ausgehend von einer Replik dieser Trouvaille entfaltet sich die Optik des Badener Abends. Getreu den Gepflogenheiten jener Ära erlebt man Georg Anton Bendas „Buon marito“ mit Joseph Haydns dramatischer Szene „Arianna a Naxos“ als Intermezzo.

Der Monolog der verlassenen Ariadne kann durchaus als Gegenstück zur komödiantischen Handlung des Benda-Stücks verstanden werden, in dem eine Ehefrau ihrem Mann eine Falle stellt, um ihn als Ehebrecher zu entlarven und schließlich nach der Versöhnung im Hause ihr Regime führen zu können.

Bendas Opera buffa erweist sich als eine hübsche Ausgrabung aus den Archiven, die nachvollziehen lässt, warum Haydn und Mozart diesen Kollegen geschätzt haben.

Passend zu den historisierenden Dekors entwickeln sich in der Realisierung durch das Teatro Barocco aus minutiös nachgestellten Veduten von Rokoko-Theaterszenen und -gebärden lebendige Bilder. Diesen verleiht die Musik, dirigiert und am Hammerflügel mitmodelliert von Aries Caces, quasi improvisatorisch zusätzliche Plastizität. Die Darsteller haben mit der pantomimischen, oft sehr reduzierten, hie und da aber höchst amüsant in derbe Hanswurstiaden aufgelösten Bildersprache genügend zu tun.

Vor allem die beiden Damen lassen dennoch auch wohlklingende Stimmen hören. Die agile Sopranistin Maria Taytakova liest als Rosetta ihrem blässlichen Bazzotto (Pablo Cameselle) gehörig die Leviten, Mezzosopran Katharina Adamczyk trachtet danach, Haydns Musik auch differenzierte Ausdruckswerte abzulauschen, und wirft sich zuletzt todesmutig zum Dröhnen des Donnerblechs in die Pappmaché-Wogen.

Mag auch vokal noch mancher Reifeprozess zu erwarten sein, erweist sich der Abend doch optisch als äußerst informativ und setzt der verlogenen Modernisierungs- und Entstellungspraxis heutiger Opernproduktionen ein historisch wohl informiertes Fragezeichen entgegen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.07.2019)

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