Die Atlantia-Holding der Familie Benetton wird der vierte Teilhaber an dem Konsortium, das die Alitalia kaufen soll. Sie stach drei weitere Interessenten aus.
Wien/Rom. „Letzte Chancen“ hat es für die marode Alitalia in der Vergangenheit viele gegeben. Die letzte „letzte Chance“ war dann am Montag. Am Abend war die Katze aus dem Sack: Die italienische Infrastrukturholding Atlantia, die im Besitz der Unternehmerfamilie Benetton steht, tritt dem Konsortium bei, das die marode Fluggesellschaft Alitalia übernehmen soll. Dies wurde am Ende einer Aufsichtsratssitzung der staatlichen Eisenbahnen (FS - Ferrovie dello Stato) am Montag beschlossen, die mit dem Wirtschaftsministerium und der US-Airline Delta die Alitalia übernehmen wollen.
Die an der Mailänder Börse notierte Atlantia-Holding behauptete sich im Duell gegen weitere Interessenten. Angebote hatten bis zu der am Sonntagabend laufenden Frist auch die italienische Baugesellschaft Toto, der römische Unternehmer Claudio Lotito -Eigentümer des Fußball-Erstligisten Lazio Rom - und die kolumbianische Airline Avianca eingereicht. Atlantia besitzt bereits die Betreibergesellschaft der römischen Flughäfen AdR.
„Wir haben die Grundlage für einen soliden industriellen Plan zum Neustart der Alitalia gelegt. Wir haben eine Lösung gefunden und dies ist ein großartiges Resultat“, kommentierte Vizepremier und Industrieminister Luigi Di Maio, der seit Monaten an einer Lösung für die Alitalia arbeitete. Di Maio erklärte, dass die Eisenbahnen und das Wirtschaftsministerium zusammen über 50 Prozent an der neuen Gesellschaft halten werden, die die Alitalia übernimmt. Dies sei eine Garantie für den Erhalt der Jobs bei dem Ex-Monopolisten, der über 11.000 Personen beschäftigt.
Lange Geschichte
Die Atlantia-Gesellschaft ist Mutterkonzern der Autobahngesellschaft „Autostrade per l'Italia“ (Aspi), die nach dem Einsturz der Brücke in Genua im August 2018 mit 43 Toten scharf kritisiert wird. Verkehrsminister Danilo Toninelli fordert den Konzessionsentzug für Aspi, die 3000 Kilometer Autobahn in Italien betreibt. Gegen Atlantia-Chef Giovanni Castellucci laufen Ermittlungen wegen Fahrlässigkeit bei den Instandhaltungsarbeiten der Brücke von Genua.
Die frühere staatliche Airline Alitalia war bereits 2008 in Konkurs gegangen – da hatten sich Interessenten aus der Branche immer wieder zurückgezogen, die Gewerkschaft immer wieder Kürzungen abgelehnt. Dann wurden erneute Versuche der Fortführung unternommen, doch Anfang Mai 2017 wurde wieder Insolvenz angemeldet.
Seitdem kann sie nur dank Staatskrediten von mittlerweile 900 Mio. Euro ihren Flugbetrieb aufrechterhalten. Diese Staatshilfe war zunächst nur als vorübergehender Rettungsanker gedacht, doch Italiens Regierung musste die Kreditlinie immer wieder verlängern. Die Insolvenz war erfolgt, nachdem sich das Alitalia-Management 2017 mit den Gewerkschaften auf einen Rettungsplan geeinigt hatte, der die Streichung von circa tausend Jobs und beträchtliche Gehaltskürzungen vorsah. Doch die Belegschaft trotzte den Gewerkschaften und stimmt gegen den Plan. Drei von der Regierung ernannte Kommissare übernahmen das Steuer der Airline und starteten die Suche nach einem Käufer. (ag./red.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.07.2019)