Keine Lust auf "Hahnenkampf": Tiroler ÖVP-Abgeordneter zieht sich zurück

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Der Nationalratsabgeordnete Josef Lettenbichler kandidiert nicht mehr - wegen Konkurrenz aus den eigenen Reihen. In der Tiroler ÖVP reagiert man auf den Rückzug mit Unverständnis.

Die Tiroler ÖVP sieht sich noch vor Beginn des Wahlkampfs mit einem politischen Rückzug konfrontiert: Der kürzlich als Spitzenkandidat für den Wahlkreis Unterland gekürte Nationalratsabgeordnete Josef Lettenbichler zog laut Medienberichten seine Kandidatur zurück. Der Grund: Konkurrenz in den eigenen Reihen in Form eines kommenden Vorzugsstimmenwahlkampfs im Wahlkreis.

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Im Unterland kandidiert nämlich überraschend auch Landwirtschaftskammerpräsident Josef Hechenberger auf Platz fünf. Vom mächtigen Bauerbund unterstützt, bestand die realistische Chance, dass Hechenberger die gesetzlich notwendigen Vorzugsstimmen erreichen und damit Lettenbichler überholen würde; das parteiinterne Vorzugsstimmensystem bei der ÖVP macht ja für diese Nationalratswahl Pause. Zudem ist mit dem Kandidaten der Jungen ÖVP aus Wörgl, Michael Riedhart, im Wahlkreis eine weitere Konkurrenz für Lettenbichler erwachsen.

Lettenbichler befürchtet „Verwerfungen“

Aus seiner Enttäuschung macht der - mit kurzer Unterbrechung im Jahr 2017 - seit 2008 im Parlament sitzende 48-jährige Wirtschaftsbündler jedenfalls keinen Hehl. Mit großem Bedauern müsse er feststellen, „dass sich gerade in unserem Wahlkreis wiederum ein Vorzugsstimmenwahlkampf der 'Extra-Klasse' abzeichnet. Für diese politischen Hahnenkämpfe und die wohl unvermeidbar kommenden Verwerfungen auf Wahlkreisebene - dies zeigte uns bereits die Vergangenheit - stehe ich jedoch nicht mehr zur Verfügung“, wurde Lettenbichler in einer schriftlichen Stellungnahme an die Funktionäre zitiert.

In der Parteispitze der Tiroler ÖVP reagierte man auf Lettenbichlers Rückzug gelassen. "Das ist seine persönliche Entscheidung. Wenn einem die Motivation fehlt, hat man es schwer in einem Wahlkampf", sagte ÖVP-Landesgeschäftsführer Martin Malaun. Die Entscheidung komme vielleicht "etwas spät": "Aber besser jetzt als noch später", fügte Malaun an.

„Der König ist tot, es lebe der König“ 

Der Kritik Lettenbichlers an einem sich abzeichnenden internen "Hahnenkampf" kann Malaun, der als enger Vertrauter von Landeshauptmann und ÖVP-Tirol-Chef Günther Platter gilt, nichts abgewinnen. Wahlkampf bedeute nun einmal kämpfen, und die Partei könne ja den Bauernbund ja nicht daran hindern, einen bestimmten Kandidaten aufzustellen.

Ein Rumoren im Wirtschaftsbund, Lettenbichlers politischer Heimat, ortet der ÖVP-Manager ebenfalls nicht: "Ich habe nicht den Eindruck, auch nach Gesprächen mit Wirtschaftsbundchef Franz Hörl, dass es brodelt." Lettenbichler habe als Energiesprecher im Nationalrat einen "super Job" gemacht, aber es würden eben immer "auch Neue" nachfolgen. "Der König ist tot, es lebe der König", so Malaun.

Wirtschaftsbundchef ist „not amused“ 

Hörl nannte Lettenbichlers Rückzug „bedauerlich“. Gleichzeitig sei er aber „not amused“, dass der Abgeordnete sein „Mandat einfach so wegschmeißt“, wie Hörl am Mittwoch sagte. Seitens des Wirtschaftsbundes habe man Lettenbichler jegliche Unterstützung für den Wahlkampf versichert. Ein lautes Rumoren im Wirtschaftsbund stellte Hörl in Abrede. Er selbst wäre auch nur "sauer" auf die Landespartei gewesen, wenn Lettenbichler im Wahlkreis Unterland nicht auf Platz eins gereiht worden wäre.

Man habe noch versucht, Lettenbichler umzustimmen, aber letztlich habe dieser eine persönliche Entscheidung getroffen. Dass in Landwirtschaftskammerpräsident Hechenberger ein aussichtsreicher parteiinterner Konkurrent im Wahlkreis mit den Bezirken Kufstein und Kitzbühel erwachsen sei, sei nun einmal "parteiinterne Demokratie" und habe durch die Landespartei nicht verhindert werden können. Hörl meinte, er habe aber gute Chancen für Lettenbichler gesehen, wieder in den Nationalrat einzuziehen - und habe ihm das auch so gesagt.

Lettenbichler: Konzentration auf Kurz, nicht auf Vorzugsstimmen

Lettenbichler selber sagte am Mittwoch, er hege „keinen Groll“ gegen seine Partei. Er beklagte allerdings mangelnde Kommunikation: Er hätte sich im Vorfeld der Listenerstellung gewünscht, dass man auf allen Ebenen „mehr miteinander redet“, sagte Lettenbichler als „Empfehlung“.

Er sei sich bewusst, dass bei Wahlkämpfen und Listenerstellungen "nicht alles kontrollierbar" sei, und ebenso, dass die Landespartei Kandidaturen in Regionalwahlkreisen nicht verhindern könne. Die Vorgangsweise sei aber nicht unbedingt mit den Direktiven und Empfehlungen auf ÖVP-Bundesebene im Einklang: "Man hat eigentlich bundesweit ausgemacht, dass es diesmal keine massiven Vorzugsstimmenwahlkämpfe geben wird." Auch Bundesparteiobmann Sebastian Kurz habe personelle Kontinuität im Hinblick auf die Nationalratsriege der ÖVP gewünscht. Man habe sich doch eigentlich in der Wahlwerbung "voll auf unseren Spitzenkandidaten" - Kurz - konzentrieren wollen. "Für einen persönlichen Vorzugsstimmenwahlkampf hat mir letztlich die Motivation gefehlt, auch wenn ich weiß, dass ich wahlkämpfen kann und das auch schon oft bewiesen habe." Er wolle nichtsdestotrotz für die ÖVP im Wahlkampf aktiv sein, sagte der Noch-Nationalratsabgeordnete

Lettenbichler war bis 2017 Geschäftsführer der Tiroler Industriellenvereinigung. Seit 2014 war er Energiesprecher der ÖVP im Nationalrat. Zu seinem Einstieg ins Hohe Haus wurde er als Nachwuchshoffnung der Tiroler ÖVP gehandelt.

Ticket geht an ÖAAB-Kandidatin

Es ist nicht die erste Aufregung im angehenden Nationalratswahlkampf der Tiroler ÖVP. Zuletzt hatte der Arbeitnehmerbund (ÖAAB) die Erstellung der Landes- und Regionallisten kritisiert. Man sah sich zu wenig berücksichtigt. ÖAAB-Landesobfrau und Landesrätin Beate Palfrader kündigte sogar an, sich nicht in den Wahlkampf einbringen zu wollen.

Für Lettenbichler im Wahlkreis Unterland nachrücken wird allerdings nun eine Vertreterin des ÖAAB: die Kitzbüheler Gemeinderätin Andrea Watzl. Für Malaun ein Zeichen, dass der ÖAAB sehr wohl prominent vertreten ist. "Die Maschine läuft."

(APA/Red.)

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