Der Onlineriese stellt die Händler auf seinem Marktplatz besser. Nicht ganz freiwillig, es drohte ein Verfahren. Der Fall dürfte aber nicht erledigt sein. Die Ermittlungen legten die enorme Abhängigkeit der Händler offen.
Wien. Intransparente Kündigungen, plötzliche Kontosperren, benachteiligende Haftungsregeln oder die Abtretung der eigenen Nutzungsrechte an Amazon – solche Geschäftsbedingungen gehören auf allen Amazon-Marktplätzen weltweit ab dem 16. August der Vergangenheit an, verkündeten die deutschen Kartellwächter am Mittwoch.
Wie kam es dazu? Deutsche und österreichische Wettbewerbshüter hatten parallel zur EU-Kommission seit Ende des Vorjahres Beschwerden von Händlern gesammelt und untersucht, die sich von Amazons Geschäftspraktiken benachteiligt fühlen. Konkret wird dem weltweit umsatzstärksten Onlinehändler ein Missbrauch der Doppelrolle vorgeworfen, die er seit 1999 einnimmt: Die US-Firma verkauft nicht nur selbst, sondern bietet auch einen Marktplatz für Dritte an, die die Reichweite brauchen. Der Geschäftszweig boomt: 58 Prozent seines globalen Bruttowarenumsatzes laufen laut Amazon über die Marktplätze. In Österreich waren 2018 gut 4500 Marktplatzhändler auf Amazon aktiv. Die Firma warb im Mai damit, dass heimische Klein- und Mittelbetriebe dort Waren im Wert von 300 Millionen Euro exportierten.
Nur häuften sich nicht nur die Umsätze, sondern auch die Beschwerden, dass Amazon seine Marktmacht gegenüber den vielen kleineren Partnern ausnütze: Das deutsche Kartellamt leitete im November ein Verfahren ein. Der österreichische Handelsverband zog kurz danach mit einer Klage an die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) nach. Diese prüfte und kontaktierte die 400 größten Marktplatzhändler. Die bestätigten die Vorwürfe und gaben Einblick: Das Gros von ihnen verkauft fast nur oder ausschließlich via Amazon, sieht kaum relevante Alternativen, um die Kunden zu erreichen und würde auch bei einer deutlichen Gebührenerhöhung bleiben.
Interessierte Behörden
Amazon ändert insgesamt acht Geschäftsbedingungen, „um die Rechte und Pflichten unserer Verkaufspartner klarzustellen“. Damit vermeidet der Konzern laut Beobachtern ein langwieriges Kartellverfahren. Vom Haken ist er aber nicht in Europa. Die deutschen wie auch die österreichischen Wächter haben angekündigt, die Einhaltung der Änderungen streng im Auge zu behalten und die Ermittlungen wenn nötig wieder aufzunehmen.
Und kaum hatten die nationalen Behörden ihre Verfahren am Mittwoch für abgeschlossen erklärt, übernahm die EU-Kommission: Sie eröffnete eine formelle Untersuchung zu einem Kritikpunkt, den auch die heimischen Unternehmen vorbrachten: Nutzt Amazon die wettbewerbssensiblen Daten der anderen – etwa ihre Einkaufspreise und Produktrankings –, um ihnen mit eigenen, optimierten Angeboten Konkurrenz zu machen? Amazon reagierte am Mittwoch sofort: Man sei zur vollen Kooperation bereit. (loan)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.07.2019)