Galileo: Rückschlag für Europas Satelliten

Am 25. Juli 2018 brachte eine Rakete vier weitere Galileo-Satelliten ins Weltall.
Am 25. Juli 2018 brachte eine Rakete vier weitere Galileo-Satelliten ins Weltall.(c) APA/AFP/-
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Das europäische Satellitennavigationssystem ist seit dem Wochenende fast komplett lahmgelegt. Dabei sollte der GPS-Gegner robuster und verlässlicher sein als das System der USA.

Wien. Die Geschichte des europäischen Satellitennavigationsprogramms Galileo ist eine von Streits, Ärger, politischem Hickhack, finanziellen Engpässen und unglaublich vielen Verschiebungen. Und trotzdem haben es die Europäer geschafft: Im Oktober 2011 gingen die ersten zwei Galileo-Satelliten ins Weltall, und fünf Jahre später konnte das von der Weltraumagentur ESA und der EU entwickelte System den Betrieb aufnehmen. Aber nun ist die Geschichte um eine unangenehme Facette reicher: Denn Galileo ist, im datentechnischen Sinne, abgestürzt. Seit dem Wochenende funktioniert das Satellitenprogramm nur noch im Notprogramm. Eine Störung hat das System erst einmal lahmgelegt.

Die Galileo-Services sollen so schnell wie möglich wiederhergestellt werden, heißt es auf der Homepage der zuständigen europäischen Agentur GSA. Ein Team von Experten aus Industrie, der europäischen Weltraumagentur und der europäischen Kommission arbeite an der Wiederherstellung. Die zuständige Agentur hatte bereits zuvor vor Störungen gewarnt, wenig später teilte sie mit, dass das System komplett ausgefallen sei und die Signale der Navigationssatelliten bis auf Weiteres nicht verwendet werden könnten. Eine genaue Ursache wurde nicht bekannt gegeben, es dürfte sich aber um eine Panne in einem der zentralen Computerprogramme handeln. Das Problem liege in der Infrastruktur am Boden, nicht bei den Satelliten im Weltall, teilte die zuständige Agentur mit. Der Such- und Rettungsdienst, mit dem Menschen in Notlagen aufgespürt werden können, sei nicht betroffen.

Noch in der Ausbauphase

Galileo ist für die EU ein absolutes Prestigeprojekt. Ins Leben gerufen wurde das Satellitensystem vor etwa 20 Jahren, um unabhängig vom amerikanischen GPS zu werden. Großer Unterschied: Das US-Satellitensystem ist militärischer Natur, aber für die zivile Nutzung freigegeben. Das europäische Pendant, das man auf dem Alten Kontinent für das fortschrittlichere hält, dient nur der zivilen Nutzung. Bis jetzt wurden 26 Galileo-Satelliten in die Umlaufbahn gebracht, bis Ende 2020 sollen es 30 und das Projekt damit finalisiert sein. Die Verwaltung ist in Prag ansässig.

Galileo sendet wie GPS Signale, mit denen unter anderem Navigationssysteme im Auto und auf Smartphones gefüttert werden. Außerdem stellt Galileo mit seinem Uhrensignal einen hochpräzisen Zeitdienst zur Verfügung, der mit seiner Synchronisation Stromnetze, Telekommunikationsdienste oder den Zahlungsverkehr der Banken aufrechterhält. Es gebe durch die Panne eine Verschlechterung der Dienste auf allen Galileo-Satelliten. Kunden, die trotzdem Geräte benutzen, die ihre Position mittels Galileo-Satelliten errechnen, würden das „auf eigenes Risiko tun“, warnte die Agentur.

Da sich Galileo noch in der Ausbauphase befindet, hält sich der Schaden in Grenzen. Zumindest private Nutzer dürften die Folgen des Systemausfalls kaum spüren: Der zuständigen Behörde zufolge wechsle ihr Smartphone automatisch zu einem anderen Navigationssystem. Für Europäer ist vor allem das amerikanische GPS relevant, in manchen Fällen auch das russische Glonass-System.

Für die EU ist die Störung dennoch ein Rückschlag – schließlich rühmten sich die Europäer seit Beginn der Planung damit, dass Galileo robuster, präziser und verlässlicher sein werde als das amerikanische System. So kann Galileo laut Angaben der Betreiber Standorte auf eine Genauigkeit von bis zu 30 Zentimeter erfassen, bei GPS sollen es etwa fünf Meter sein. Bereits im Jänner 2017 gab es eine gröbere Panne, als die Atomuhren an Bord mehrerer Satelliten ausgefallen waren. Die Zeitmessung musste von Reserveuhren übernommen werden.

Start zehn Jahre zu spät

Eigentlich hätte Galileo schon zehn Jahre früher an den Start gehen und deutlich billiger hätte das Projekt auch sein sollen: Ursprünglich waren dafür bis zu 2,9 Milliarden Euro eingeplant. Nun sind bis 2020 7,2 Milliarden Euro für den Aufbau plus drei weitere Milliarden für den Betrieb budgetiert. Mit Galileo will Europa seine Abhängigkeit vom amerikanischen GPS beenden. Die Amerikaner hatten jahrelang versucht, Galileo zu stoppen: Drei Jahre lang stritten die EU und die USA über das Projekt. Aber Europa wollte sein eigenes ziviles Navigationssystem. Und das ist heute so gut wie fertig. Galileo soll aber auch in Zukunft gemeinsam mit dem US-System GPS laufen, hieß es vor einigen Jahren seitens der EU. Wenn es denn dann wieder läuft. (hie)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.07.2019)

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