Das falsche Bild von Franz Dinghofer

Replik. Roman Sandgruber schrieb im „Spectrum“ über Franz Dinghofer. Sein Enkel reagiert mit einer Korrektur.

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Im „Spectrum“ schrieb Roman Sandgruber einen Artikel über Franz Dinghofer („Die Kamig und ihr Ariseur“, 4. 5. 2019, „Die Presse“). Er behauptet darin, Dinghofer sei zu einem überzeugten Nationalsozialisten mutiert. Als Präsident des OGH sei er nicht wegen politischer Unzuverlässigkeit vorzeitig pensioniert worden, auch die Enteignung des Schöllergutes sei regulär gewesen. Bei der Freimachung der 1940 gekauften Ischler Villa wäre die Gestapo „dienlich“ gewesen. Die jüdischen Aktionäre der Kamig AG hätte er als Ariseur um ihre Aktien gebracht, zu deren Rückstellung sei er verurteilt worden.

Entgegenzuhalten ist dem maßgebliche Fakten verkürzenden und auslassenden Artikel:

► Der Ständestaat, der 1934 einen nationalsozialistischen Putsch niedergeschlagen hat, hätte nie einen Nationalsozialisten als Präsidenten des OGH geduldet.

►1928 verhinderte Dinghofer in Abkehr von der Linie der Großdeutschen Volkspartei eine Auslieferung des jüdischen Kommunisten Kuhn an Ungarn; die Partei zwang ihn daraufhin zum Rücktritt als Justizminister, er trat in der Folge aus der Partei aus.

► Auf dem Parteitag 1922 konnte Dinghofer eine große Mehrheit erzielen, die 58 Gegenstimmen sind vor allem aus radikalen Kreisen gekommen – er war demnach kein „Radikaler“.

► Im April 1938 wurde er vom Justizminister angewiesen, sein Amt als OGH-Präsident einem Vertrauensmann der NSDAP zu übergeben. Das Vertrauen der NSDAP hatte er also nicht.

► Kurz darauf wurde er „aus politischen Gründen vorzeitig pensioniert“ (Oberste Rückstellungskommission, 15. 12. 1951); nach dem Krieg wurde er zur Rehabilitierung bis Ende 1938 wieder in den Dienststand aufgenommen.

► Erst zwei Jahre nach der Machtübernahme, als die Enteignung des Schöllergutes in vollem Gang war, ist Dinghofer der NSDAP beigetreten. Bei der Enteignung ging es um den Großteil des ehelichen Vermögens, noch dazu um 28 Hektar Grundbesitz in Kriegszeiten. Wen verwundert es, dass sich Dinghofer (wenn auch vergebens) vom Beitritt zur NSDAP eine Verbesserung der Position im Enteignungsverfahren erwartete, ihn dazu also nicht eine mit 67 Jahren aufgeblühte nationalsozialistische Gesinnung getrieben hat.

► Massiv überschießend war die Enteignung, die Entschädigung wurde (so VfGH, 3. 12. 1980) „zum größten Teil 1944 geleistet“ in bereits praktisch wertlosen RM; erst nach dem VfGH-Entscheid wurde sie noch erheblich nachgebessert.

► Die Ischler Villa war schon vor dem Kauf von einem NSDAP-Mitglied gemietet, das dort bis nach dem Krieg wohnen blieb.

►1922 bestellten die jüdischen Aktionäre ihn zum Präsidenten der Kamig.

► 1938 hat die Gestapo es als ausgeschlossen bezeichnet, dass der jüdische Großaktionär Götzl seine Aktien an der Kamig hält.

► Dinghofer hat bei der unausweichlichen Kamig-Arisierung versucht, Götzl nach Möglichkeit zu helfen; so hat er ihm einen besseren Kaufpreis verschafft als die lächerliche Abfindung, die er bei der sonst staatlichen Arisierung zu erwarten gehabt hätte.

► Die Rückstellungsoberkommission hat 1948 zum Aktienabkauf entlastend festgehalten: Dass Dinghofer „diese Lösung als einzig richtige betrachtet habe, soll nicht bestritten werden“.

► Die Rückstellungsverfahren sind nicht durch Urteil, sondern in Vergleichen zwischen den Streitteilen einvernehmlich erledigt worden.

► Götzl hat nach dem Krieg gegenüber Dritten von Dinghofer in „Tönen der höchsten Hochachtung“ gesprochen.

► Ein anderer arisierter jüdischer Großaktionär hat Dinghofer 1951 brieflich um „das Vergnügen“ gebeten, „ihn zu einem gemütlichen Nachtmahl haben zu können“.

Ao. Univ.-Prof. Dr. Peter Avancini war Rechtsanwalt, ist ein Enkel von Dinghofer. Er ist kein Mitglied einer politischen Partei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.07.2019)

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