Das Facebook-Geld ist riskant, wird den Euro aber nicht zerstören

Libra wirft Fragen zu Datenschutz und Krisenfestigkeit auf. Diese muss man klären. Alternative Zahlungsmittel lassen sich aber nicht dauerhaft verhindern.

Es gibt nicht viele Themen, bei denen Donald Trump und die US-Demokraten einer Meinung sind. Eines davon ist Libra – die Digitalwährung, die Facebook zusammen mit Partnern wie Visa, Mastercard, eBay, PayPal oder Uber entwickeln will und mit der man Onlinezahlungen tätigen kann. Diese will man verhindern.

„Wir wären verrückt, wenn wir ihnen die Möglichkeit geben, mit den Konten der Leute zu experimentieren“, sagte der demokratische Senator Sherrod Brown. Trump wiederum twitterte, Libra werde ein schlechtes Ansehen haben und wenig zuverlässig sein. Auch die G7-Staaten, deren Finanzminister gerade getagt haben, haben laut dem Deutschen Olaf Scholz „schwere Bedenken“. Es gebe auch „keine Notwendigkeit“ für eine Währung, die nicht demokratisch verankert sei.

Nun könnte man das auch den Markt entscheiden lassen. Die Einwände sind aber berechtigt. Man fürchtet Datenschutzverstöße, die Erleichterung von Geldwäsche und Terrorfinanzierung und nicht zuletzt, dass das weltweite Finanzsystem ins Wanken geraten könnte. Dass Daten bei Facebook sicher aufgehoben sind, wird zu Recht bezweifelt, auch wenn ein Verein mit Sitz in Genf Libra ausgeben und Facebook selbst keinen Zugang zu den Transaktionsdaten haben soll.

Das Geldwäsche-Argument, das auch gern gegen Bargeld und Bitcoin vorgebracht wird, hat auch etwas für sich. Und dass das Konsortium schlagartig der mit Abstand größte private Anbieter einer einzigartigen Dienstleistung wäre, ist wettbewerbsrechtlich ein Problem. Doch können die Behörden ja Auflagen erteilen. Facebook hat deutlich gemacht, Libra nicht einführen zu wollen, bevor alle regulatorischen Bedenken ausgeräumt seien. Libra ließe sich leichter regulieren als dezentrale Kryptowährungen wie Bitcoin, bei denen kein Ansprechpartner zur Verfügung steht.

Doch gibt es einen grundsätzlicheren Vorbehalt gegen Libra. „Wir wollen nicht, dass Privatfirmen die Möglichkeit haben, eine souveräne Währung zu schaffen“, sagte der französische Finanzminister, Bruno Le Maire. Scholz ergänzte: Die Herausgabe einer Währung gehöre nicht in die Hände eines Privatunternehmens, sie sei Kernelement staatlicher Souveränität. Darüber lässt sich streiten. Doch Libra will staatliche Währungen gar nicht ersetzen. Es wird – im Gegensatz zu Bitcoin, dessen Preis von Angebot und Nachfrage bestimmt ist – an einen Währungskorb gekoppelt sein. Dollar und Euro würden stark gewichtet sein, die Notenbanken also indirekt über Libra mitbestimmen.

Bleibt die Sorge um das Finanzsystem. Wenn nur ein Teil der über zwei Milliarden Facebook-User Libra nutzt, könnte eine Bank von systemrelevanter Größe entstehen. Und da Libra unter anderem mit Staatsanleihen unterlegt werden soll, könnte das Facebook-Konsortium zu einem der größten Anleihegläubiger weltweit werden. Ein Grund für Währungshüter und Regulatoren, genauer hinzusehen. Das Finanzsystem stand freilich vor elf Jahren bereits am Rande des Abgrunds, und das ganz ohne Zutun von Facebook. Die Finanzkrise war vielmehr der Auslöser dafür, dass digitale Währungen überhaupt angedacht wurden. Sie war der Geburtshelfer von Bitcoin. Politik und Notenbanken haben die Katastrophe abgewendet, aber noch ist nicht gewiss, wohin das Experiment des weltweiten Gelddruckens führt. Verglichen damit stellt Libra – wenn es entsprechend reguliert wird – eine überschaubare Gefahr dar.


Glaubt man den Vorbehalten der Politiker, floppt Libra ohnehin. Vielleicht vereinfacht es aber tatsächlich Zahlungen und Vertragsabschlüsse – und bringt die Banken unter Zugzwang. Auch könnte der eine oder andere Libra-Nutzer Gefallen an Kryptowährungen wie Bitcoin finden, die tatsächlich dezentral und unabhängig von Staaten und Notenbanken sind. Mit oder ohne Libra-Verbot: Die Alternativen zu den staatlichen Währungen werden mehr und besser werden. Sie werden Euro und Dollar nicht verdrängen, aber ergänzen. Bis dahin sollten Politiker stärkere Argumente gefunden haben, warum die Welt ausschließlich Währungen wie Euro und Dollar haben darf, als nur, dass es „keine Notwendigkeit“ für Alternativen gebe.

E-Mails an:beate.lammer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2019)

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