Ausbildungswahl

„Sich für nichts zu schade sein“

PW
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Studiert, was euch glücklich macht, sagen die Eltern. Sie meinen es gut. Aber sie sollten die Folgen von Ausbildungen bedenken, die ihre Kinder später nicht ernähren.

Wäre eine Karriere wie die von Josef Buttinger heute noch möglich? Wohl kaum: Buttinger, seit fünf Jahren Geschäftsführer von Pedersen & Partners Executive Search, wollte eigentlich Priester werden. Das Theologiestudium brach er ab, „weil der Zölibat nicht so mein Ding war“. Er besaß keinerlei beruflich verwertbares Fachwissen und heuerte in seiner Not als ehrenamtlicher Rettungssanitäter beim Roten Kreuz an. Nach einiger Zeit wurde er angestellt und stieg in die Verwaltung auf, „aber nur, weil sie mich aus dem Alltag kannten. Hineinzuwachsen war meine einzige Möglichkeit.“

Über den Umweg der Personaldienstleistung kam er in die Personalberatung, Fachwissen erwarb er auf dem Weg. Glück und Zufall waren das, sagt er, „und sich für nichts zu schade zu sein“.

Buttinger verneint entschieden, dass eine solche Laufbahn heute noch möglich wäre: „Recruiter sind darauf gedrillt, nach konkreten Skills zu suchen – künstliche Intelligenzen noch mehr. Die Persönlichkeit spielt erst dann eine Rolle, wenn man schon im Unternehmen ist.“ (Siehe dazu auch Artikel auf Seite K4.)

Unterwasserkorbflechter

Dieser Tage stellt sich so mancher Maturant die Frage nach seiner Ausbildungszukunft. Natürlich, Interesse und Berufung sind wichtig. Beschäftigbarkeit (Employability) aber auch. In Amerika gibt es einen Begriff für Studienfächer mit bescheidener praktischer Verwertbarkeit: Unterwasserkorbflechter, in der Steigerungsstufe der Nutzlosigkeit linkshändige Unterwasserkorbflechter (left-handed underwater basket weavers).

Bis vor ein paar Jahren ließen sich selbst solche Ausbildungen verkaufen. Aristid-Geschäftsführer Erwin Schmid: „Da sagte man, der Kandidat hat zwar ein Orchideenstudium gemacht, aber er hat bewiesen, dass er sich durchbeißen kann.“ Heute würde man ihn in der Schublade „unernst“ ablegen.

Eltern meinen es nur gut, wenn sie ihren Kindern die Wahl lassen zu studieren, was immer sie wollen. Die streitbare Wiener Psychotherapeutin Martina Leibovici-Mühlberger nennt es führungsschwach, verantwortungslos, konfliktscheu und narzisstisch von Eltern, 18-Jährige mit dieser Entscheidung allein zu lassen – für sie nur ein weiterer Beleg für die „Beziehungsentkoppelung zwischen Eltern und Kindern“ (nachzulesen in „Wenn die Tyrannenkinder erwachsen werden“).

Lieblingsfächer als Orientierung

Tatsächlich können Maturanten – zum Unterschied zu ihren Eltern – noch nicht viel von der Arbeitswelt wissen. Sie orientieren sich an dem, was sie kennen: ihren schulischen Lieblingsfächern. Diese können hochgefragt sein (Mathe, Physik, Chemie). Dann ist die Zukunft rosig. Die Fächer können aber auch spannend in der Schule sein (Psychologie, Philosophie), aber später keine Familie ernähren. Dann ist die Zukunft prekär.

Und manches Lieblingsfach (Englisch) ist zwar im Job ein wichtiges Add-on, aber kein Beruf für sich. Dolmetscher sind eine der von der Digitalisierung am meisten bedrohten Spezies, und Englischlehrer warten lang auf ihre erste eigene Klasse.

Apropos Digitalisierung: Wer seine Kinder „beschäftigungsfähig“ machen will, bereitet sie auf die digitale Zukunft vor. Sie wird jeden, absolut jeden Beruf erfassen, (derzeit noch) nicht als böser Jobzersetzer, sondern als Ergänzung und Erleichterung. Doch selbst dafür sind zumindest Grundkenntnisse in Programmierung und IT-Skills nötig, um zu verstehen, wie künstliche Intelligenzen ticken.

Lernt programmieren!

Früher machte man in den Post-Matura-Ferien den Führerschein. Warum nicht jetzt einen Online-Programmierkurs? Eine große (und meist kostenlose) Auswahl findet sich bei Edx, Canvas, iMoox, Coursera, Udacity, der Khan Academy und vielen anderen. Schaden wird es keinem.

>>> Diashow: Harvard at Home

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2019)

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