75 Jahre Hitler-Attentat: "Kirchen haben grandios versagt"

Reichsmarschall Hermann Göring (helle Uniform) und der Chef der 'Kanzlei des Führers', Martin Bormann (l.), begutachten die Zerstörung im Raum der Karten-Baracke im Führerhauptquartier Rastenburg, wo Oberst Stauffenberg am 20. Juli 1944 eine Sprengladung zündete, mit der Absicht Hitler zu töten
Reichsmarschall Hermann Göring (helle Uniform) und der Chef der 'Kanzlei des Führers', Martin Bormann (l.), begutachten die Zerstörung im Raum der Karten-Baracke im Führerhauptquartier Rastenburg, wo Oberst Stauffenberg am 20. Juli 1944 eine Sprengladung zündete, mit der Absicht Hitler zu töten APA/dpa/Heinrich Hoffmann/UPI
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„Christlicher Widerstand kam von Einzelpersonen, aber nicht von der Amtskirche", mahnt Historiker Wolfgang Benz zur Vorsicht im Umgang mit der Rolle des Glaubens beim Widerstand gegen den Diktator.

Am 20. Juli 1944 versuchte Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg, Adolf Hitler mit einer Bombe zu töten. Doch der Umsturzversuch deutscher Offiziere scheiterte, der Diktator überlebte leicht verletzt. Stauffenberg und seine Mitverschwörer wurden hingerichtet. Das offizielle Deutschland wird am Samstag im Berliner Bendlerblock, der Hinrichtungsstätte der Attentäter, der damaligen Ereignisse gedenken. Schon vorab meldete sich der Berliner Historiker Wolfgang Benz zu Wort - und zwar mit äußert kritischen gegenüber der Kirchen.

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Man sollte die Rolle des Glaubens beim Widerstand gegen Hitler nicht überbewerten, betonte Benz: "Die beiden Kirchen haben grandios versagt - christlicher Widerstand kam von Einzelpersonen, aber nicht von der Amtskirche", sagte er der "Augsburger Allgemeinen“ laut Kathpress anlässlich des 75. Jahrestags des Hitler-Attentats.

Zugleich warnte der Historiker vor einer Verklärung der Tat: "Ich sehe es mit einem gewissen Unbehagen, wenn zum 20. Juli ausschließlich an Stauffenberg erinnert wird und die kleine Gruppe um ihn, die unendlich spät, zu spät, nur noch eine symbolische Tat begangen hat." Es gehe gerade heute im Sinne des "demokratischen Erbes" darum, den ganzen Widerstand gegen den Nationalsozialismus in den Blick zu nehmen: "Die Konservativen haben bislang immer vor allem den militärischen Widerstand in den Blick genommen, der aber ganz spät kam."

Typisch Deutsches

Der 78-jährige Benz, der über viele Jahre Direktor des Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU Berlin war, nannte als einen der Gründe, dass es viele nationalbewusste Patrioten gegeben habe, die den von Hitler verkündeten "Erfolgen wie der Überwindung des Versailler Vertrages sehr freudig" zugestimmt hätten: "Die Erkenntnis, dass das mit Verbrechen einherging und mit einer ganz unglaublichen Hypothek auf die Zukunft erkauft war, die etwa dem scharf blickenden Schreinergesellen Georg Elser ganz früh kam - sie kam den vielen national Empfindenden, den Offizieren, Rechtsanwälten und Professoren zu spät."

Darin sieht Benz zudem etwas typisch Deutsches: "Denn die Sozialisation der Menschen, die so ab 1880/90 geboren sind, also derjenigen, die im Dritten Reich zu den Eliten gehörten, war nicht demokratisch. Sie war obrigkeitsfromm, militaristisch, auf Befehl und Gehorsam abgestellt". Und auch wenn man den Nationalsozialismus etwa aus dem katholischen Glauben heraus abgelehnt habe, "so war man doch so erzogen, dass man nicht die Hand gegen das Regime erhob".

Besorgt äußerte sich der Historiker mit Blick auf die AfD: "Es ist bestürzend, wie schnell und absichtsvoll man da das Rad der Geschichte zurückdrehen will in die Zeiten des Nationalstaates und des Nationalismus, die unwiederbringlich vorbei sind." Wörtlich ergänzte Benz: "Mit alten Parolen nach der alten nationalen Herrlichkeit, die eigentlich und vor allem für Deutschland nur Unglück gebracht hat, zu greinen, das ist mindestens demokratiegefährdender Leichtsinn - oder böse Absicht."

(APA/Red. )

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