Der Klimawandel setzt die Wälder unter Druck. Die Bundesforste bauen ihre Reviere daher nach und nach um. Das bedeutet unter anderem: weniger Fichten – und mehr Vielfalt.
Droß. Ein Fleckerlteppich in Grün breitet sich vor einem aus, wenn man vom Schanzriedel nach Süden in Richtung Kremstal blickt – in der Ferne das Stift Göttweig: Da sind Eichen, Fichten und uralte Kiefern, da sind Lärchen und Bergahorn, hier und da blitzt eine Tanne hervor. Geht es nach Bernhard Funcke, der bei den Bundesforsten für die Waldviertler Wälder zuständig ist, soll es in Zukunft öfter so aussehen – und seltener so wie wenige rumpelige Fahrminuten entfernt, wo Hunderte Fichtenstämme Seite an Seite in die Höhe ragen.
Mehr noch: Wenn es langfristig überhaupt noch Wälder geben soll, ist das eine Notwendigkeit. Denn der Klimawandel bringt auch den Wald unter Druck: Wetterextreme, Stürme, Hitze und Trockenheit setzen den Bäumen zu, ganze Waldstriche, vor allem jene mit Fichten, fallen unter diesen Bedingungen dem Borkenkäfer zum Opfer (siehe Seite W3). Die Bundesforste – mit 15 Prozent der Fläche der größte Waldeigentümer des Landes – haben daher Strategien für den Wald der Zukunft entwickelt.

Gemeinsam mit der Universität für Bodenkultur haben sie analysiert, wie die heimischen Wälder umgebaut werden müssen, wenn es um die zwei Grad wärmer wird, von denen man mit dem Pariser Abkommen ausgeht. „In manchen Regionen müssen wir uns vom heutigen Waldbild verabschieden“, sagt Bundesforste-Vorstand Rudolf Freidhager in Droß im Waldviertel – einer Gegend, in der die Auswirkungen besonders groß sind. „Der Wald wird bunter werden.“ Denn Artenvielfalt ist – für einen Wirtschaftsbetrieb, den der Klimawandel auch Geld kostet, nicht unwesentlich – zugleich Risikovorsorge.
Mehr Douglasien in Droß
Das bedeutet unter anderem eben: Mischwälder, in denen verschieden alte Bäume unterschiedlicher Baumarten nebeneinander gedeihen, statt Monokulturen, die einst wegen ihrer scheinbaren Effizienz angelegt wurden. Auf einem Flecken ehemaligen Fichtenwaldes, der vom Borkenkäfer totgefressen wurde, sieht man in Droß, wie das aussehen kann. Zwischen Baumstümpfen, Springkraut und Brombeeren wachsen dort unterschiedliche junge Bäumchen: Ahorn und Buche, kleine Eichen und Tannen – und kniehohe Douglasien.
Dem charakteristisch bläulich-grünen Nadelbaum wird man – jedenfalls im Waldviertel – zukünftig öfter begegnen. Die vor allem in Nordamerika verbreitete Douglasie, die Freidhager in Europa nicht als fremden Neuzugang, sondern als Rückkehrer sieht, der einst hier heimisch war, kommt mit Trockenheit besser zurecht als andere Baumarten. Und sie wächst gleichzeitig schnell, was sie für die forstliche Nutzung attraktiv macht.

Auch sonst wird sich das Gesicht des Waldes in den kommenden Jahrzehnten ändern. Vor allem Fichten wird man deutlich seltener sehen. Auf den gesamten Flächen der Bundesforste werden sie zwar auf Platz eins bleiben – sie sollen aber im Jahr 2100 statt derzeit 60Prozent nur noch 40 Prozent ausmachen. Dafür soll es deutlich mehr sturmstabilere Lärchen geben, die tiefwurzelnden Tannen sollen sich verdoppeln, und die Buchen klettern in höhere Lagen.

Konkreter werden beispielsweise dann im östlichen Wienerwald, wo es derzeit schon nur wenige Fichten gibt, langfristig deutlich weniger Buchen wachsen, dafür unter anderem mehr Eichen. Im Salzkammergut werden laut der Strategie der Bundesforste Fichten und Buchen teilweise von Lärchen und Tannen abgelöst. In Oberkärnten werden mehr Zirben stehen und im Waldviertel eben deutlich mehr Douglasien als jetzt (siehe Grafiken unten).
Welche Bäume dann wo stehen, ist in Wirklichkeit aber noch viel kleinräumiger: Während im Waldviertel an der einen Stelle vielleicht ein Mix aus Douglasien und anderen Bäumen passt, gibt es am nächsten Hügel eigentlich keine Alternative zu den Eichen, die sich dort seit 250 Jahren in den felsigen, kargen Grund krallen. Und an anderen Stellen, etwa in feuchteren Senken, haben auch Fichten ihre Berechtigung. Worum es geht, ist, Bäume zu wählen, die an den Standort angepasst sind.
Bäume, die von selbst kommen
Dabei spielt auch die sogenannte Naturverjüngung eine Rolle: mit den Bäumen zu arbeiten, die von selbst kommen. Angepflanzt werden soll nur, wenn es nicht anders geht. Denn eine Tanne aus dem Samen eines Baumes, der seit Jahrzehnten dort gedeiht, ist absolut standortangepasst – und zudem gratis. Wenn sich das Wild nicht an den Bäumchen vergreift, sieht das so aus wie auf dem üppig-grünen Flecken, der Vorstand Freidhager zum Schwärmen bringt: junge Eichen, Tannen, Buchen sonder Zahl unter einem Schirm alter Kiefern.
„Das ist der Wald der Zukunft“, sagt Funcke. Zumindest, wenn das Pariser Klimaabkommen hält und die Erderwärmung die zwei Grad nicht übersteigt, auf denen die Arbeitshypothese für die Waldstrategie der Bundesforste basiert. Sollten die Temperaturen doch stärker steigen und es noch trockener werden, dann könnte sich das womöglich wieder ändern – und damit auch das Gesicht des Waldes.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2019)