„Als ich jung war“: Übergriff und Untergriff

Unwillkürlich stellen sich bei der Lektüre von Norbert Gstreins Roman Verdächtigungen gegen männliche Figuren ein. Subtil entrollt er, wie eng die Kategorien Geschlecht, Sexualität und Machtmissbrauch verbunden sein können.

Alot remained to be explained“, so lautet das Motto von Norbert Gstreins jüngstem Roman „Als ich jung war“. Er erzählt von einem ungeklärten Todesfall und liest sich anfangs wie ein Krimi – doch beseitigt die Handlung keine Unklarheiten, sondern wirft beständig neue auf. Gstreins versiertes Spiel mit Erwartungen, die die Lektüre weckt, ist eine subtile Beschäftigung mit Geschlechterbeziehungen in der Nachfolge der MeToo-Bewegung.

Der Roman beginnt mit der Rückkehr des 37-jährigen Franz nach Tirol, nachdem er 13 Jahre in den USA verbracht hat. Seine dortige Arbeit als Skilehrer musste er infolge zweier Unfälle aufgeben, und er findet, nunmehr mittellos, Obdach bei seinem Bruder. Dieser führt ein Restaurant, das bereits der Vater als erfolgreiches Hochzeitslokal betrieben hat. Franz' Bruder setzt nicht nur die Arbeit des verstorbenen Vaters fort, sondern nähert sich diesem auch äußerlich immer mehr an und trägt gar seine in die Jahre gekommenen Anzüge. Vor allem kehren mit Franz' Rückkehr auch die Schatten des tödlichen Sturzes einer Braut in ihrer Hochzeitsnacht nahe dem väterlichen Restaurant zurück – trotz Ungereimtheiten wurde er als Selbstmord zu den Akten gelegt.

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