Die Abrechnung des "Kurier"-Herausgebers

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Helmut Brandstätter geht in seinem neuen Buch hart mit der türkis-blauen Kurzzeit-Regierung ins Gericht und wirft Kurz und seinem Team Interventionen vor. Er selbst könnte demnächst in die Politik wechseln, sein Vertrag beim „Kurier“ läuft aus.

Das neueste Buch vom Chef zu besprechen ist nicht die angenehmste Aufgabe, kein Journalist stellt sich dafür an, erst recht nicht, wenn der Inhalt heikel ist. Im „Kurier“ bat man daher gleich einen externen Autor, das jüngste Buch von Herausgeber Helmut Brandstätter zu lesen. Franz Ferdinand Wolf, vor 30 Jahren selbst „Kurier“-Chef, seit vielen Jahren für die Wiener ÖVP aktiv, ging in der Samstagsausgabe sachlich und höflich mit „Kurz & Kickl“ um und nannte es ein „flammendes Bekenntnis gegen Begehrlichkeiten der Politik“. Im letzten Satz aber erwähnte er doch, dass es manche „als Bewerbungsschreiben für eine politische Zukunft in Pink“ lesen könnten.

Und ja, seit Wochen hält sich das Gerücht, der 64-jährige Brandstätter könnte als prominenter Überraschungskandidat für die Neos bei den Nationalratswahlen kandidieren. Sein Herausgeber-Vertrag beim „Kurier“ läuft demnächst aus. Die Neos schweigen dazu, und Brandstätter selbst will die Spekulation weder gegenüber Medien noch dem Redaktionsausschuss des „Kurier“ kommentieren. Eine Entscheidung dürfte diese Woche fallen.


Davor bringt er nun mitten in der Ferienzeit und noch vor der heißen Wahlkampfphase seine Abrechnung mit der türkis-blauen Regierung in die Buchläden und auf die E-Lesegeräte. Hart zieht er gleich zu Beginn Bilanz: „In Wirklichkeit war diese Regierung der Beginn des Weges in eine autoritäre Republik.“ Für ihn ist Kickl der „Mastermind seit Haiders Zeiten“, der Kurz den Führersitz und damit den Anschein der Macht überlassen habe, aber selbst die Zügel in der Hand behalten wollte. Kurz beschreibt er als „Kontrollor“, den er als gleichermaßen selbstbewusst wie unsicher erlebt habe. Und dann schildert der Medienmann unzählige Fälle von Einmischungen und Interventionen in der „Kurier“-Redaktion sowie bei mehr oder weniger nahen ÖVP-Politikern.

(c) Sreenshot

So sei Niederösterreichs ehemaliger Landeshauptmann Erwin Pröll nach einem Interview mit dem zum „Kurier“ gehörenden Sender SchauTV über die Nazi-Liederbuch-Affäre des FPÖ-Spitzenkandidaten Udo Landbauer von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka aufgefordert worden, kritische Aussagen daraus zurückzunehmen. Für die sogenannte Message Control sorgen würde das Kommunikationsteam rund um Kurz, allen voran Gerald Fleischmann und Johannes Frischmann und zwar „durch brutalen Druck und penetrante Interventionen, immer, wenn ihnen Geschichten nicht gefielen, und oft, wenn sie Unangenehmes ahnten oder auch nur Unkontrolliertes wahrnahmen“. Schon während Kurz' Amtszeit als Außenminister habe Brandstätter aus seinem Umfeld Sätze wie „Jetzt muss der ,Kurier‘ auf Linie gebracht werden“ und Ähnliches gehört.

Brandstätter erzählt vom Aufstieg des Sebastian Kurz und seinem Machtstreben. Und er zieht eine Bilanz der 17 türkis-blauen Regierungsmonate mit all den kleineren und größeren Einzelfällen bis zum Showdown rund um das Ibiza-Video.

Buch mit Faymann. Der „Kurier“-Chef begleitete Kurz und die Regierung von Anfang an kritisch, die grundsätzliche Haltung seines Buches verwundert also nicht. Seine Härte und Direktheit darin wird dennoch einige, allen voran die darin Erwähnten, überraschen. Niemand wird gegen seine wichtige Warnung vor einer zu großen Nähe zwischen Medien und Politik und undemokratischen Tendenzen sprechen. Doch seine couragiert wirkende Mahnung wird nicht nur durch seinen möglichen Wechsel in die Politik getrübt. Sondern auch durch seine eigene Geschichte: Helmut Brandstätter galt und gilt als bürgerlich-liberaler Journalist. Einer, der „aus dem Milieu der alten ÖVP stammt“, wie Hans Rauscher im „Standard“ es bezeichnet. Einer mit Draht zum ehemaligen Raiffeisen-General Christian Konrad (der ihn zum „Kurier“-Chef machte) und Ex-ÖVP-Chef Erhard Busek (der das Vorwort zu „Kurz & Kickl“ beisteuerte). Aber eben auch einer, der ebenso gut mit mächtigen SPÖ-Funktionären war. Mit Christian Kern war er schon lang vor dessen Zeit als Kanzler befreundet, private Essen waren keine Seltenheit, mit Kerns Vorgänger Werner Faymann schrieb er 2014 gar ein Buch („So kann Europa gelingen“). Für eine solche Zusammenarbeit mit Kurz fehlte die Nähe.

Zur Person

Helmut Brandstätter (*1955 in Wien) ist studierter Jurist und Journalist. Er begann seine Karriere 1982 in der Auslandsredaktion des ORF, wurde später Korrespondent in Bonn und baute das Brüssel-Büro des ORF auf. Zurück in Wien verantwortete und moderierte er u.a. den ORF-Report.

1997 wurde er Geschäftsführer des zu RTL gehörenden Privatsenders N-TV und 2003 von Puls4.

2010 wurde er „Kurier"-Chefredakteur, 2013 auch Herausgeber. Im Vorjahr gab er ein Jahr früher als vertraglich vereinbart die Chefredaktion an Martina Salomon ab und behielt die Herausgeberschaft. Im Mai 2019 wurde er mit dem Ari-Rat-Ehrenpreis geehrt und hielt eine ebenfalls sehr regierungskritische Rede, in der er die Pressefreiheit im Land in Gefahr sah. 

Brandstätter ist mit ORF-Moderatorin Patricia Pawlicki verheiratet und hat eine gemeinsame Tochter mit ihr und zwei Kinder aus erster Ehe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2019)

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