Seit 40 Jahren sorgen Eisenbahnliebhaber dafür, dass die historische Höllentalbahn nach wie vor in Betrieb ist. Sonn- und feiertags kann man sich auf eine nostalgische Zugfahrt begeben, die nicht nur Zug-Auskennern Spaß macht.
Es fällt ziemlich leicht, sich hier auf Zeitreise zu begeben: Ein historischer Zug, der Schaffner in originalgetreuer Uniform wie anno 1926. Ein Original-Fahrschein von damals (nein, der Begriff Ticket passt hier wirklich nicht), auf dem der Fahrpreis noch in Schilling (1,40) aufgedruckt ist und der vom Schaffner mit einer alten Schaffnerzange gezwickt wird, nachdem er – stilgerecht mit seiner Trillerpfeife – die Abfahrt angekündigt hat.
Die Nostalgiefahrt mit der Höllentalbahn beginnt tatsächlich vorbildlich nostalgisch: Nur die Fahrgäste mit ihrer modernen Kleidung und ihren Smartphones, mit denen sie die vielen, netten Details im Zuginneren festhalten (wie das alte Schild: „Es ist verboten, während der Fahrt mit dem Fahrer zu sprechen“), passen nicht so ganz in die historische Kulisse.
Los geht es beim Bahnhof Payerbach-Reichenau, wo der hübsch (und authentisch wie früher) in hell- und dunkelgrün gestrichene Museumszug nur wenige Meter von den ÖBB-Gleisen entfernt auf die Fahrgäste wartet. Wie früher, als die Züge von 1926 bis 1963 ausflugsfreudige Wiener von Payerbach bis zur Talstation der Rax-Seilbahn gebracht haben, ist der Fahrplan der heutigen Museumsbahn auf jenen der ÖBB abgestimmt. Oder wie es die Eisenbahnfreunde formulieren: „Wir fahren Anschluss.“
Wer also – immer sonntags von Juni bis Mitte Oktober – mit der Höllentalbahn mitfahren möchte, kann mit den ÖBB sowohl von Wien als auch aus Richtung Mürzzuschlag kommend – anreisen und ohne lange Wartezeit umsteigen. Viermal täglich fährt die Schmalspurbahn von Payerbach ab. Wer im hellen, mit Eschenholz verkleideten Wageninneren einen Platz weiter vorne bekommt, hat während der Fahrt beste Sicht auf den Triebfahrzeugführer. Aber auch der Blick durch die Seitenfenster ist ein lohnender, es knarrt und zischt und ruckelt, während sich der Zug gemächlich in Bewegung setzt. Mit etwa 25 km/h ist der elektrisch betriebene Schmalspurbahn unterwegs, 35 km/h würde der Triebwagen schaffen, was aber auf der Strecke nicht erlaubt ist. Bis zur Endstation Hirschwang dauert die Fahrt 25 Minuten.
Wer fürchtet, dass an Sommertagen eine Fahrt in einem alten Zug drückend heiß ist, irrt: Der Fahrtwind, der durch die Fenster hereinweht, lässt Hitze gar nicht erst aufkommen. Dass die Strecke teils durch dichten Wald führt und streckenweise auch die Schwarza entlang, wirkt auch angenehm kühlend. Alle paar Minuten ruft Zugführer und Schaffner Albert Malli die nächste Haltestelle aus. „Nächster Halt: Reichenau. Drei Minuten Aufenthalt, falls jemand ein Foto machen möchte.“
Malli ist – wie der Triebfahrzeugführer an diesem Sonntag, Reinhard Popp – passionierter Eisenbanhnliebhaber. Gemeinsam mit anderen ehrenamtlichen Mitgliedern der Österreichischen Gesellschaft für Lokalbahnen halten sie die Höllentalbahn – wie auch die Ybbstalbahn – am Leben.
Der Verein bestreitet dabei nicht nur die Fahrten, sondern ist auch für die Instandhaltung der Züge und vor allem auch der Strecke verantwortlich. Im Laufe der Jahre haben sie so etwa die alten Schienen auf der zirka fünf Kilometer langen Strecke ausgetauscht, den Schotter neu verlegt, aber auch die Hälfte der vermorschten Oberleitungsmasten gegen neue ausgetauscht. All das ehrenamtlich und in ihrer Freizeit neben ihren eigentlichen Berufen – Malli etwa ist hauptberuflich Vize-Senderchef bei Ö3.
Besuch in der Remise. Die Liebe zur Höllentalbahn ist dabei nicht nur zeitintensiv, sie erfordert auch viel Expertise. Wer sich für Triebwägen, historische Loks und die Geschichte der Höllentalbahn interessiert, kann dem Schaffner während der Fahrt Fragen stellen – oder aber an einer Führung durch die Fahrzeugremise teilnehmen, die es sonntags zwei Mal (nach der ersten Fahrt um 10.25 Uhr sowie jener um 14.25 Uhr) angeboten wird. In der Remise finden sich einige Fahrzeuge, die für Kenner wahre Fundstücke sind: So steht hier die älteste betriebsfähige Schmalspur-E-Lok Europas, die 1903 gebaut wurde und nach wie vor funktionstüchtig ist. Oder eine Heeresfeldbahnlok aus der NS-Zeit, die gebraucht wird, wenn auf der Strecke Schotter aufgefüllt werden muss.
Die Vereinsmitglieder haben aber auch die vier Original-Beiwagen, die hier im Höllental einst im Einsatz waren, gekauft. Diese waren – nachdem die Bahn im Jahr 1963 eingestellt wurde, weil der Postbus die Wanderer von der Südbahn zur Rax brachte – noch jahrelang auf der Zillertalbahn im Einsatz. Als die „Payerbacher“ dort nicht mehr gebraucht wurden, wurden sie von der Gesellschaft für Lokalbahnen aufgekauft. Einer wurde in Detailarbeit restauriert und zum Triebwagen mit originalgetreuem Motor umgebaut. (Die anderen drei warten auf die Restaurierung, es fehlt das Geld.) Zeitgleich bekamen auch die Mitarbeiter originalgetreue Uniformen.
1979 nahm die Höllentalbahn ihren Betrieb als Museumsbahn auf. Damit ist sie die älteste Museumsbahn Niederösterreichs und als solche bereits länger im Einsatz, als sie es einst im Personenverkehr war. Davor gab es auf der Strecke eine Materialbahn für die bis heute bestehende Papierfabrik.
Ebendort, nahe der Papierfabrik in Hirschwang, endet die Fahrt. Wanderfreudige Fahrgäste steigen hier aus und fahren mit einem späteren Zug zurück. Die weniger Aktiven bleiben sitzen und lassen sich von derselben Garnitur aus dem Höllental wieder gemächlich nach Payerbach bringen.
Die Bahn
Die Höllentalbahn ist seit 40 Jahren – als erste Museumsbahn Niederösterreichs – wieder in Betrieb und verkehrt zwischen dem Bahnhof Payerbach-Reichenau und Hirschwang.
Betrieb an jedem Sonn- und Feiertag von Anfang Juni bis Ende Oktober mehrmals täglich, zu ausgewählten Uhrzeiten gibt es auch Führungen durch die Fahrzeugremise und das Umformerwerk.
Kommenden Samstag (27.7., 11 bis 16Uhr) wird „40 Jahre Höllentalbahn“ mit Gratisfahrten, Mitmachstationen und Ausstellung gefeiert. Infos und Fahrplan www.lokalbahnen.at/hoellentalbahn
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2019)