Konsensuale Lösung, im Streitfall durchsetzbar

Das „Singapurer Übereinkommen“ ist teils in der Wiener UNO-City (Bild), teils in New York verhandelt worden.
Das „Singapurer Übereinkommen“ ist teils in der Wiener UNO-City (Bild), teils in New York verhandelt worden.(c) Clemens Fabry
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Ab August liegt in Singapur ein auch in Wien verhandeltes neues Übereinkommen zur Unterschrift auf. In Wirtschaftsstreitigkeiten erzielte Vergleiche können auf dieser Grundlage international durchgesetzt werden.

London/Wien. Das Instrumentarium für die Beilegung internationaler Wirtschaftsstreitigkeiten wird verbessert. Im August wird in Singapur das im Rahmen der UN-Kommission für internationales Handelsrecht (Uncitral) verhandelte Übereinkommen über die Vollstreckung internationaler Mediationsvergleiche zur Unterschrift aufliegen. Mit Inkrafttreten dieses „Singapurer Übereinkommens“ werden im Verhandlungsweg erzielte Einigungen (Mediationsvergleiche) international vollstreckbar. Die Dynamik in der professionellen Streitbeilegung wird sich dadurch merklich ändern. Konsensuale Ansätze werden zunehmend auch in konfrontative Auseinandersetzungen integriert werden, die Streitparteien werden von erheblicher Zeit- und Kostenersparnis profitieren.

Synergie statt Konkurrenz

Der Ansatz, verschiedene Streitbeilegungsmethoden in ein und demselben Prozess zu kombinieren, ist nicht neu. Streitbeilegungsklauseln in internationalen Verträgen werden zunehmend „eskalierend“ formuliert: Die Streitbeilegung beginnt regelmäßig mit Parteiengesprächen zur gütlichen Einigung, führt dann über drittunterstützte Vergleichsverhandlungen (Mediation) und mündet zuletzt – wenn alle konsensualen Versuche gescheitert sind – in der Entscheidung durch parteiernannte Dritte (Schiedsverfahren). Dennoch werden Schiedsgerichtsbarkeit und Mediation in der Praxis weitgehend noch als konkurrierend und nicht als synergetisch angesehen.

Im Gegensatz zum Schiedsverfahren (Arbitration), in dem die Entscheidung von außen durch das Schiedsrichtergremium erfolgt, handelt es sich bei der Mediation um „optimierende“ Vergleichsverhandlungen, die mit der Unterstützung eines neutralen Dritten geführt werden. Die in der Mediation erzielte Einigung beruht allein auf dem Willen der Streitparteien. Der Mediator spielt eine entscheidende Rolle, indem er die Parteien bei der Überwindung vermeintlicher (Kommunikations-)Hindernisse unterstützt und nach Möglichkeit neue Perspektiven fördert.

Die Kombination von Schiedsgerichtsbarkeit und Mediation birgt das Potenzial, beide Methoden zu stärken und zu nachhaltigeren Ergebnissen zu führen. Hybride Verfahren veranlassen die Parteien dazu, über kooperative Verhandlungstechniken und kreative Lösungen nachzudenken. Parteien mit laufenden Geschäftsbeziehungen kann dies ermöglichen, Strategien zur Vermeidung wiederholter (schieds-)gerichtlicher Auseinandersetzungen zu entwickeln bzw. Fallmodelle zu schaffen, nach denen zukünftige Streitfälle einfacher und schneller abgewickelt werden (z. B. in komplexen Projekten, bei denen wiederkehrende Streitigkeiten wahrscheinlich sind).

Führende internationale Anbieter von Streitbeilegungsdiensten unterstützen den Einsatz von Mediation im Vorfeld (Med-Arb) oder während eines Schiedsverfahrens (Arb-Med-Arb). Auch die ständige Internationale Schiedsinstitution der Wirtschaftskammer Österreich (VIAC), die nationale und internationale Streitfälle administriert, anerkennt Schiedsverfahren und Mediation als gleichrangige Methoden der alternativen Streitbeilegung (Alternative Dispute Resolution, ADR). Die VIAC-Mediationsordnung wurde mit dem erklärten Ziel geschaffen, „One-Stop-Shop“-Lösungen mit konsensualen und kooperativen Ansätzen zu ermöglichen.

Vorteile hybrider Ansätze

Hybride Ansätze in institutionell administrierten Schiedsverfahren bieten den Streitparteien große Vorteile: klare Abläufe an den Schnittstellen und, bei Bedarf, professionelle Hilfe der Institution, etwa bei der Auswahl des Mediators. Die Parteien können sich zudem darauf verlassen, dass der Ausgang eines bei gescheiterter Mediation fortgesetzten Schiedsverfahrens nicht durch den Umstand verwässert wird, wie die Mediation im Einzelnen verlaufen ist.

Bis zum Inkrafttreten des Singapurer Übereinkommens werden die Parteien ihre gelungenen Mediationsvergleiche dadurch international durchsetzbar machen, dass sie das für die Mediation unterbrochene Schiedsverfahren fortsetzen und einen Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut begehren, der den Vergleich abbildet. Solche Schiedssprüche werden grundsätzlich als vollwertige Schiedsentscheide anerkannt und sind vorbehaltlich nationaler Einschränkungen in allen 159 Vertragsstaaten des New Yorker Übereinkommens von 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche gerichtlich durchsetzbar. Allenfalls nicht justiziable Aspekte des Mediationsvergleichs (z. B. Aspekte des Streits, die nicht in die Zuständigkeit des angerufenen Schiedsgerichts fallen) bleiben allerdings auch in diesem Fall ausgeklammert. Bis das Singapurer Übereinkommen in Kraft tritt, ist die internationale Vollstreckbarkeit insoweit unerreichbar.

Seit Inkrafttreten der Wiener Mediationsregeln 2016 hat die VIAC bereits eine Reihe von internationalen Wirtschaftsmediationen – insbesondere an der Schnittstelle zum Schiedsverfahren – administriert. Den Auftakt machte etwa ein komplexer Gewährleistungsfall rund um vermeintlich defekte Brückenkräne, die ein führender italienischer Hersteller an ein russisches Stahlunternehmen geliefert hatte. Den Prioritäten der Parteien entsprechend wurde ein hybrides Streitbeilegungsverfahren (Med-Arb) festgelegt. Neben dem formellen schriftlichen Austausch der Positionen fanden zwei Termine mit einem Mediator statt – ein Lokalaugenschein in Russland und eine (mehrtägige) Mediationssitzung in Wien. Das Verfahren war binnen sechs Monaten konsensual im Weg der Mediation beendet, ohne dass es der weitaus kostenintensiveren Option der Überleitung in das Schiedsverfahren bedurfte.

Zukunftsgerichtete Ergebnisse

Hybride Lösungen bieten eine zukunfts- und interessenorientierte Streitbeilegung und kombinieren diese mit der Schlagkraft durchsetzbarer Ergebnisse. Gerade bei grenzüberschreitenden Wirtschaftsstreitigkeiten liegt die besondere Attraktivität auf der Hand. Ob gerade auch in Österreich die Zukunft in integrierten, methodenübergreifenden Streitbeilegungsverfahren liegt, wird stark davon abhängen, wie viel Bewusstsein über ihre Vorteile geschaffen wird. Eine entscheidende Rolle spielen hier zweifellos Anwälte und Schiedsrichter. Die notwendigen Rahmenbedingungen wurden international geschaffen und sollten genutzt werden. Es wäre zu begrüßen, wenn Österreich das Singapurer Übereinkommen ratifiziert.


Dr. Georg Adler, MSc (Oxford) ist Rechtsanwalt bei Wilmer Cutler Pickering Hale and Dorr LLP in London, Mag. Anne-Karin Grill, M.A. (Georgetown) ist Partnerin bei Vavrovsky Heine Marth Rechtsanwälte in Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.07.2019)

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