Tänzerlegende Willy Dirtl ist gestorben

Nachruf. Er war Erster Solotänzer des Staatsopernballetts und gestaltete Tanzeinlagen in Peter-Alexander-Filmen. Der berühmteste Vertreter wienerischer Tanzkultur starb 88jährig.

Fast ein halbes Jahrhundert ist es her, dass eine schwere Verletzung das Ende einer großen Tänzerkarriere herbeiführte: Willy Dirtl, umschwärmter Star des Wiener Staatsopernballetts musste 1970 die Bühne verlassen – um ein neues Leben zu beginnen. In der Führung des Autohauses seines Schwiegervaters fand Dirtl seine neue Profession – es ist vielleicht kein Zufall, dass Sohn Christoph zu einem bekannten Rallye-Fahrer wurde.
In den Jahren vor seinem Bühnenabschied war Willy Dirtl freilich mit Sicherheit der berühmteste Vertreter wienerischer Tanzkultur. Seinen Namen kannte man weit über die Interessenssphäre der heimischen Ballettomanen hinaus. Ein breites Publikum identifizierte ihn vor allem mit den Tanzeilagen bei den jährlichen TV-Übertragungen des Neujahrskonzerts der Wiener Philharmoniker.

Dass man im ORF auf seine Mitarbeit setzte, war nach zahlreichen Film-Engagements Dirtls ganz selbstverständlich. Als Tänzer und als Gestalter der Balletteinlagen war er seit der Verfilmung der (angeblichen) Geschichte des Operettenmeisters Franz von Suppé „Hab ich nur Deine Liebe“ mit Johannes Heesters (1953) am Set gefragt. Spätestens die schwungvollen Nummern in „Charleys Tante“ mit Peter Alexander hat vermutlich die halbe österreichische Bevölkerung gesehen und bewundert.

Vom Othello bis zum Siegfried in „Schwanensee“

Die Filmkarriere Dirtls begann nahezu gleichzeitig mit seinem Aufstieg im Ensemble der Staatsoper: 1948 hatte man den Absolventen der Ballettschule ins Corps de ballet aufgenommen, 1951 avancierte er zum Solisten, 1954 zum Ersten Solotänzer. Im Jahr darauf war er dank seiner Wandlungsfähigkeit ganz selbstverständlich der wichtigste Protagonist in der ersten Ballettpremiere im wieder errichteten Haus am Ring. Da tanzte er neben dem Othello der Seite von Christl Zimmerls Desdemona in der Uraufführung von Boris Blachers „Mohr von Venedig“ auch den Prinzen in Gordon Hamiltons Klassiker-Adaption „Giselle“ mit Gretl Bauer-Pokorny.
Den Othello gab Dirtl dann 25 Mal, dazu große Partien in unterschiedlichsten Charakterfächern, vom Titelhelden in Richard Strauss' „Josephs Legende“ über den Prinzen in Strawinskys „Feuervogel“, Bartóks „Wunderbaren Mandarin“ bis zum Siegfried in Tschaikowskys „Schwanensee“.

Mit Christl Zimmerl gestaltete Dirtl als Perseus auch eine grandiose Fernsehversion von Erika Hankas Produktion der „Medusa“ von Gottfried von Einem, die ihn nicht nur in seiner tänzerischen Eleganz, sondern auch in seinem schneidigen Draufgängertum verewigt.
Schon der neunjährige Eleve war im Theater an der Wien zu sehen gewesen, als Eichhörnchen zwischen Wurzelzwergen und Fliegenpilzen im „deutschen Weihnachtsmärchen“ namens „Maria im Walde“. Das war mitten im Zweiten Weltkrieg. Die Ära des Wiederaufbaus des österreichischen Kulturlebens hat Willy Dirtl als prägende Persönlichkeit in einem sonst sträflich unterschätzten Genre entscheidend mitgeprägt. Am 17. Juli ist die Tänzerlegende 88jährig in Kitzbühel gestorben.

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