Nachruf: Yukiya Amano, der leise Botschafter für nuklearen Frieden

Der Japaner Amano stand ab 2009 an der Spitze der Atomenergiebehörde in der Wiener UNO-City.
Der Japaner Amano stand ab 2009 an der Spitze der Atomenergiebehörde in der Wiener UNO-City.(c) JOE KLAMAR / AFP / picturedesk
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Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien, der Japaner Yukiya Amano, ist tot.

Wien. Es war nur eine knappe Mitteilung, mit der die Internationale Atomenergiebehörde in Wien am Montag den Tod ihres Generaldirektors bekannt gab. Das Sekretariat der IAEA „bedauert mit großer Traurigkeit, über den Tod von Generaldirektor Yukiya Amano zu informieren“, hieß es darin. Dann folgte ein Zitat des Japaners, mit dem er die Organisation in dieser Woche eigentlich über seinen vorzeitigen Rücktritt hatte informieren wollen. Er sei stolz auf das Erreichte und danke den Mitgliedstaaten und den Mitarbeitern. Nun ist der Tod seinem Rückzug zuvorgekommen. Die IAEA-Flagge in der UNO-City wurde auf halbmast gesetzt.

Amano stand seit 2009 an der Spitze der Organisation, die eine Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen überwacht und die friedliche Nutzung von Kernenergie propagiert. Gerüchte über einen vorzeitigen Rücktritt aus Gesundheitsgründen hatte es bereits Anfang vergangener Woche gegeben. Seit Monaten kämpfte der 1947 in der Küstenstadt Yugawara geborene Diplomat mit einer Krankheit, über Details schweigt sich die IAEA jedoch aus. Anfang Juli blieb er deshalb einer von den USA beantragten Sondersitzung zu Irans Atomprogramm fern. Auch im vergangenen Herbst war er mehrere Wochen im Krankenstand.

Die Todesnachricht wurde der Öffentlichkeit verspätet überbracht: Amano sei bereits am 18. Juli verstorben, sagte ein Sprecher. „Auf Wunsch der Familie“ sei dies nicht sofort kommuniziert worden.

Für die IAEA kommt der Tod Amanos, der erst 2017 für eine dritte Amtszeit von vier Jahren bestätigt worden war, zu einem schwierigen Zeitpunkt: Seit dem Austritt der USA aus dem Wiener Atomabkommen und dem angekündigten Teilausstieg vonseiten Teherans steht der Deal auf Messers Schneide. IAEA-Inspektoren überwachen dessen Einhaltung und spielen damit eine wichtige Rolle bei den Bemühungen, das Abkommen trotz der steigenden Spannungen noch zu retten.

Scharfe Kritik von Netanjahu

Gerade das hatte der IAEA – und damit Amano – aber auch Kritik eingetragen. Vor der UN-Generalversammlung im September warf Israels Premier, Benjamin Netanjahu, dem stets zurückhaltend wirkenden IAEA-Chef persönlich vor, zu wenig scharf kontrolliert und angebliche israelische Beweise über iranische Pläne zum Bau von Atomwaffen über Monate ignoriert zu haben.

Amano war als Generaldirektor von Beginn an nicht unumstritten. Bei seiner Kandidatur für den Posten konnte er sich vor zehn Jahren erst am Ende eines über Monate dauernden diplomatischen Ringens knapp gegen den Südafrikaner Abdul Samad Minty durchsetzen. Zu groß waren die Vorbehalte, vor allem aufseiten der Entwicklungsländer.

Gleichzeitig trat er in denkbar große Fußstapfen: Sein charismatischer und unbeugsamer Vorgänger, Mohammed ElBaradei, der zusammen mit der IAEA 2005 den Friedensnobelpreis erhielt, scheute keine klaren Worte. Das hatte dem Ägypter vor allem auf westlicher Seite den Vorwurf eingebracht, die Behörde zu politisch geführt und gespalten zu haben. Der leise und bescheiden auftretende Amano versprach einen weniger aggressiven Kurs. „Wir sind eine technische, keine politische Organisation“, gehörte zu seinen Mantras. Seinen Amtsantritt belasteten Spekulationen, nach dem Abgang des mit Washington über Kreuz liegenden ElBaradei ein US-Erfüllungsgehilfe zu sein.

Ausgewiesener Abrüstungsexperte

Ungeachtet seiner Zurückhaltung und Zweifel an seiner Kommunikationsfähigkeit galt Amano als ein ausgewiesener Fachmann in Fragen der internationalen Abrüstung. Der Karrierediplomat und studierte Jurist hatte sich darauf schon früh spezialisiert. 1972 in die Dienste des Außenministeriums seines Landes eingetreten, übernahm er 1993 die Abteilungen für Atomwissenschaften und für Atomenergie und handelte wichtige Rüstungskontrollverträge aus. 2005 schickte Tokio ihn als Botschafter zur IAEA.

Immer wieder betonte Amano, sich als Japaner vor dem Hintergrund der Atombombenabwürfe von Hiroshima und Nagasaki besonders verpflichtet zu fühlen, sich für die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen einzusetzen. Gleichzeitig versuchte er während seiner Amtszeit, auch andere Anwendungen von Nuklearenergie, etwa in der Medizin, in den Fokus zu rücken.

Die Nuklearkatastrophe von Fukushima 2011 war für Amano auch eine persönliche Tragödie. Die IAEA musste sich dabei den Vorwurf gefallen lassen, sich als Förderorganisation der zivilen Kernenergie in einem Interessenkonflikt befunden und die nukleare Sicherheit vernachlässigt zu haben. Amano drängte in der Folge mit einer für ihn sonst ungewöhnlichen Deutlichkeit darauf, Atomkraftwerke sicherer zu machen.

Nach Bekanntwerden seines Todes zeigten sich zahlreiche Spitzenpolitiker tief betroffen. Bundespräsident Alexander Van der Bellen würdigte den Japaner als „wichtige Persönlichkeit im Kampf um den nuklearen Frieden“. Yukiya Amano wurde 72 Jahre alt.

Auf einen Blick

Die Internationale Atomenergiebehörde mit 171 Mitgliedstaaten und Sitz in Wien besteht seit Juli 1957. Sie kontrolliert und fördert die zivile Nutzung von Atomkraft und überwacht die Einhaltung des Atomwaffensperrvertrags. Dazu kontrollieren Inspektoren der IAEA Nuklearanlagen auf der ganzen Welt, auch im Iran. In Nordkorea erhalten sie dagegen keinen Zugang. Yukiya Amano war der fünfte IAEA-Generalsekretär. Als Kandidaten für seine Nachfolge gelten der Argentinier Rafael Grossi und der Rumäne Cornel Feruta.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.07.2019)

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