Global gleichzeitig: Das Besondere an der jetzigen Erwärmung

Wie außergewöhnlich ist diese Erwärmung?
Wie außergewöhnlich ist diese Erwärmung?(c) APA/AFP/GEORGES GOBET (GEORGES GOBET)
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Es habe in der jüngeren Geschichte immer wieder Klimaschwankungen gegeben, sagen Skeptiker. Stimmt. Aber diese – etwa die kleine Eiszeit – betrafen nicht die gesamte Erde, sagen Klimatologen: Die Erwärmung seit der Industrialisierung sei da einzigartig.

Dass sich das Klima ändert, streitet kaum jemand mehr ab. Doch wie außergewöhnlich ist diese Erwärmung? Ähnliche, aber nicht menschengemachte Klimaschwankungen seien in der jüngeren Geschichte öfter passiert, meinen sogenannte Klimaskeptiker, FP-Politiker H.-C. Strache argumentierte sogar, dass in Grönland einst Wein angebaut worden sei. Was nicht stimmt.

Aber was ist mit der kleinen Eiszeit? Oder mit der mittelalterlichen Warmzeit? Keines dieser Phänomene war so global wie die heutige Erwärmung. Das ist der Sukkus einer soeben in Nature erschienenen Arbeit. Klimatologen um Raphael Neukom (Universität Bern) haben alle erhältlichen Daten – aus Messungen an Bäumen, Eis, Sedimenten, Korallen etc. – analysiert und sagen: Es gab in den letzten 2000 Jahren – vor der industriellen Revolution, die uns die heutige Erwärmung brachte – keine mit der heutigen Erwärmung vergleichbaren globalen, also auf der ganzen Erde zur selben Zeit stattfindenden Wärme- oder Kälteperioden. So habe die sogenannte kleine Eiszeit im pazifischen Raum im 15. Jahrhundert stattgefunden, in Nordeuropa und Nordamerika im 17. und anderswo im 19. Jahrhundert.

Solche Phänomene seien in der vorindustriellen Zeit vor allem von Vulkanen ausgelöst worden, etwa vom Ausbruch des Tambora auf Indonesien (1815), schreiben die Forscher um Neukom in Nature Geoscience; Änderungen der Mengen von Treibhausgasen in der Atmosphäre hätten einen geringeren Einfluss gehabt. Ein Einfluss der Schwankungen der Sonnenaktivität auf die globalen Durchschnittstemperaturen sei nicht belegbar. Jedenfalls habe es in den letzten 2000 Jahren nie eine so schnelle und mindestens zwei Jahrzehnte anhaltende Erwärmung gegeben wie im späten 20. Jahrhundert. Diesen Vergleich ziehen die Forscher, nachdem sie – methodisch sauber! – die Temperaturen der jüngeren Zeit, obwohl es für diese natürlich direkte Messungen gibt, genauso indirekt bestimmt haben (aus Messungen an Bäumen, Eis, Sedimenten, Korallen etc.) wie jene aus der früheren Zeit, aus der keine vergleichbar präzisen direkten Temperaturmessungen vorliegen.

Die großen Vulkanausbrüche des frühen 19. Jahrhunderts – fünf in nur 28 Jahren – brachten einige Abkühlung, nicht nur in Europa, wo 1816 als „Jahr ohne Sommer“ in die Geschichte einging und die Gletscher in den Alpen ein letztes Mal vorrückten. Dieser kühlende Effekt ließ just in der Zeit nach, in der die Industrialisierung einsetzte. So ist es nicht leicht, diese beiden Faktoren zu trennen und zu beurteilen, wann und wie stark die anthropogene Erwärmung eingesetzt hat, die bis heute andauert. Geografen um Stefan Brönnimann, ebenfalls an der Uni Bern, diskutieren das in einem weiteren Artikel in Nature Geoscience.

Das konzertierte Erscheinen der drei Arbeiten ist natürlich kein Zufall, es wird auch von einem Kommentar in Nature begleitet, in dem steht: „Der Spruch, dass sich das Klima immer ändere, stimmt sicher. Aber auch wenn wir bis in die frühesten Tage des Römischen Reichs zurückblicken, können wir kein Geschehen ausmachen, das auch nur entfernt mit der Erwärmung der letzten Jahrzehnte vergleichbar wäre.“ Und schließlich: „Today's climate stands apart in it's torrid global synchrony.“ Man ist versucht, das mit einer hitzigen Alliteration zu übersetzen: „Glühende globale Gleichzeitigkeit.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2019)

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