Transit-Streit in Tirol: Einigung auf "Zehn Punkte-Plan"

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Im Konflikt um Fahrverbote und Lkw-Verkehr in Tirol trafen sich Landeshauptmann Platter und Verkehrsminister Reichhardt mit deutschen  Amtskollegen zum Krisengespräch. Platter hielt weiterhin an seinen Maßnahmen fest.

Nach Wochen heftigen politischen Schlagabtauschs in Sachen Transit durch Tirol kam es heute im Verkehrsministerium in Berlin zu einem Krisentreffen. Deutschlands Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte unter anderem seinen österreichischen Amtskollegen Andreas Reichhardt und Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) zu dem Treffen eingeladen. Die Konfliktparteien einigten sich auf einen "Zehn Punkte-Plan“. "Wir haben jetzt einen Weg und wollen ein Paket ausarbeiten", sagte Scheuer.

Man werde etwa mit der Europäischen Kommission "Regelungen des Beihilfenrechts" vereinbaren. Zu dem Plan würden unter anderem auch intelligente Lkw-Verkehrsleitsysteme, Mautbefreiungen im grenznahen Verkehr sowie eine generelle "Flexibilität bei der Bemautung" gehören.

Platter betonte, dass die von Tirol verhängten Pkw-Fahrverbote auf dem niederrangigen Straßennetz sowie die Lkw-Blockabfertigungen bestehen bleiben. Hier weiche er "keinen Millimeter" zurück. Sollte es aber durch die verschiedenen Maßnahmen weniger Verkehr geben, könne man auch die Maßnahmen etwas zurückfahren. Zudem erklärte der Landeshauptmann, dass Deutschland höhere Mauttarife auf der Strecke zwischen München und Kiefersfelden zugesagt habe - offenbar ein erster Schritt in Richtung Korridormaut zwischen München und Verona.

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Tirol möchte insbesondere den Lkw-Verkehr über die viel befahrene Inntalautobahn und den Brenner gedrosselt sehen, etwa über eine Maut. Von einigen Maßnahmen sind aber auch Urlauber betroffen. So sind noch bis September Ausweichrouten an Wochenenden für den Urlaubsverkehr gesperrt. Dadurch soll die Bevölkerung wieder mehr Lebensqualität bekommen.

Söder: Kein guter Stil der Österreicher

Die deutschen Nachbarn sind davon alles andere als begeistert. Der nördliche Nachbar kündigte im Juni ebenso wie Italien eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) an. Die Blockabfertigungen, mit denen Tirol an bestimmten Tagen die Einreise von Lkws beschränkt, bringen seit 2017 regelmäßig lange Staus auf bayerischer Seite. Kürzlich bekam Deutschland hier Rückendeckung von der EU-Kommission.

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder hat am Donnerstag kurz vor dem Gipfel scharfe Kritik an Österreich geübt: "Ich finde das Verfahren der Tiroler und der Salzburger keinen guten Stil. Es bringt Freundschaften durcheinander und führt zu langfristigen Verwerfungen zwischen Regionen", sagte Söder der Deutschen Presse-Agentur. Außerdem hob er bayerische Ferienziele als Alternative hervor: „Zum Glück kann man im Allgäu, in Garmisch oder in Berchtesgaden genauso Skisport betreiben wie in Kitzbühel", sagte Söder. "Wenn man den klimasensibleren Wintersport bevorzugt, ist Bayern ohnehin die bessere Alternative.“ Söder zeigte sich jedoch offen für die Prüfung der Korridormaut. Der Ministerpräsident verlangte aber zugleich, dass Tirol sich bei den Lkw-Blockabfertigungen bewegen müsse.

Platter bleibt hart

Der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) sagte ebenfalls im Vorfeld des Gipfels der "Süddeutschen Zeitung“, er werde an den Fahrverboten und der Blockabfertigung festhalten. Auch eine Zusage für die von Tirol geforderte höhere Lkw-Maut, die sogenannte Korridor-Maut, könne ihn in dieser Frage nicht umstimmen. Erst wenn diese auch umgesetzt sei und der Transitverkehr merklich zurückgehe, wäre er für eine Rücknahme der Straßensperren bereit.

Allerdings brachte er in der "Augsburger Allgemeinen" eine Anhebung der billigen Lkw-Dieselpreise in Österreich ins Gespräch. Dass das "Dieselprivileg" rasch fallen könnte - daran glaubte der Landeshauptmann aber nicht und verwies auf die derzeitige Übergangsregierung. "Da wird es im Moment nicht viel Bewegung geben", sagte Platter im Ö1-Morgenjournal am Donnerstag. Die Brennerroute gilt als billigste und auch deshalb meistbefahrene Nord-Süd-Verbindung für Lkw in den Alpen. Höhere Kosten gelten als Stellschraube für eine Eindämmung des Verkehrs.

Europäische Wirtschaftsverbände schalten sich ein

Kurz vor dem Krisengespräch am Donnerstag haben sich auch die führenden Wirtschaftsverbände aus Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien und den Niederlanden in den Konflikt eingeschaltet und sich in einem Brief an die EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc gewandt. Darin  fordern sie die Europäische Kommission auf, „eine Eskalation des Streits abzuwenden und auf ein Ende unverhältnismäßiger Einschränkungen des Straßengüterverkehrs hinzuwirken.“ Sie sehen den Transit über den Brenner als „essentiell“ an, zumal es gegenwärtig „keine gangbare Alternative für den Langstrecken-Gütertransport zwischen den Mitgliedsstaaten nördlich der Alpen und Italien“ gebe. Die Maßnahmen Tirols würden den freien Warenverkehr massiv behindern und könnten „erhebliche ökonomische Schäden" verursachen. 

(APA)

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