Jeder zweite Österreicher würde für mehr Freizeit Gehalt opfern

Wer weniger arbeitet, hat mehr Zeit für Aktivitäten.
Wer weniger arbeitet, hat mehr Zeit für Aktivitäten.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Belastung am Arbeitsplatz nimmt einer EY-Studie zufolge zu. Aber nur jeder Dritte wäre bereit für eine bessere Work-Life-Balance den Wohnort zu wechseln.

Arbeitnehmer in Österreich sehen sich einem immer größeren Druck ausgesetzt und haben vielfach Schwierigkeiten, Familie und Job unter einen Hut zu bringen. Für zwei von drei Arbeitnehmern haben laut EY-Jobstudie die Anforderungen am Arbeitsplatz in den vergangenen fünf Jahren zugenommen. Für 22 Prozent hat die Belastung sogar „stark zugenommen“. Lediglich eine kleine Minderheit, jeder Zwanzigste, sieht einen Rückgang der Arbeitsbelastung.

Unter diesen gestiegenen Anforderungen ist es für 48 Prozent der Befragten schwieriger geworden eine ausgewogene Work-Life-Balance zu erzielen, worunter das Privatleben leidet. 54 Prozent der Arbeitnehmer, die über eine verschlechterte Work-Life-Balance klagen, nennen als Grund mehr Arbeitsstunden, 49 Prozent mehr Verantwortung im Beruf. Gerade bei Frauen wirken sich die steigende Verantwortung zuhause und die Pflege von Angehörigen negativ auf die Work-Life-Balance aus.

Um das zu verändern wären mehr als jeder zweite Beschäftigte im Austausch für mehr Freizeit grundsätzlich bereit auf Teile des Gehaltes zu verzichten. Männer würden einer solchen Lösung häufiger zustimmen als Frauen, die Umfrage (57 Prozent gegenüber 52 Prozent). Frauen würden diese Entscheidung allerdings häufiger von konkreten Rahmenbedingungen abhängig machen als Männer.

Für die gestiegenen Anforderungen sieht Ingrid Rattinger, Managing Partnerin Talent bei EY Österreich, mehrere Gründe. „Die Kommunikation mit E-Mail, Smartphone und Chats ist schneller geworden, wodurch der  Druck auf Arbeitnehmer, ständig erreichbar zu sein, wächst“, wird Rattinger in einer Aussendung zitiert. Zudem habe die zunehmende Internationalisierung mehr Reisen oder ungewöhnliche Arbeitszeiten mit sich gebracht, um sich mit Kollegen in den USA, China oder anderswo austauschen zu können.

Belastung für Frauen und Männer hoch

Im Detail zeigen die Ergebnisse, dass die Anforderungen für beiderlei Geschlechter zugenommen haben. 19 Prozent der Frauen sagen, dass die Arbeitsbelastung stark zugenommen hat, bei den Männern sind es mit 24 Prozent etwas mehr. Für Männer gestaltet sich auch die Vereinbarkeit von Beruf- und Privatleben schwerer: Die Work-Life-Balance ist für fast die Hälfte der Männer (43 Prozent) schwieriger geworden, aber „nur“ für 38 Prozent der Frauen. Die Männer begründen dies vorwiegend mit einer Zunahme der Arbeitsstunden (56 %) sowie mit einer gestiegenen Verantwortung im Job. Bei den Frauen spielen auch die Verantwortung zu Hause (22 Prozent) und der Pflegeaufwand bei Angehörigen (elf Prozent) eine große Rolle.

Work-Life-Balance 2019
Work-Life-Balance 2019APA

Für Rattinger zeigt dies, dass sich nach wie vor Frauen in vielen Haushalten um den Großteil der Kindererziehung kümmern. „Zwar nutzen auch viele Väter inzwischen Angebote wie die Vätermonate, um bei ihren Kindern zu sein, jedoch gibt es hier auch auf Arbeitgeberseite noch sehr viel Entwicklungspotenzial", sagt die Expertin.

Österreicher zeigen wenig Flexibilität

Dennoch zeigt die Studie auch, dass für eine große Mehrheit von Prozent ein Wohnortwechsel auch bei einem attraktiven Jobangebot mit möglicherweise weniger Belastung kein Thema ist. Bloß drei von zehn Beschäftigten in Österreich wären zu einem Wohnortwechsel bereit, selbst wenn nur unter der Woche. Hier liegt die Bereitschaft bei den Männern mit 36 Prozent deutlich höher als bei den Frauen, bei denen nur 22 Prozent zu einem solchen Schritt bereit wären.

Die Bereitschaft, den Wohnort für den Job zu wechseln, ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich: Während sich in Kärnten mehr als jeder dritte Befragte einen Ortswechsel vorstellen kann, sind die Oberösterreicher ihrem Heimatort am stärksten verbunden. Dort könnte sich nur jeder Fünfte eine räumliche Veränderung vorstellen. Aus Sicht der Beschäftigten, die im Falle eines attraktiven Jobangebots zu einem Umzug bereit wären, ist die Bundeshauptstadt Wien mit 48 Prozent die mit Abstand die attraktivste Zielregion.

Die Veränderungen in der Wirtschaft und im Arbeitsleben insbesondere, wie internationales Arbeiten, größere Verantwortung für den Einzelnen, mehr Abwechslung und flachere Hierarchien bieten Arbeitnehmern heutzutage nie dagewesene Entfaltungsmöglichkeiten, aber auch erhebliche Herausforderungen, weiß Rattinger. Sie sieht auch die Arbeitgeber am Zug die Belastung abzufedern – beispielsweise durch flexible Arbeitszeitmodelle oder Kinderbetreuungsangebote.

(red./herbas)

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