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Pink in Wien: Ein Sommernachtstraum für robuste Gemüter

KONZERT: PINK
KONZERT: PINKAPA/HANS PUNZ
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Pink sorgte im Wiener Stadion mit proletarischer Bekenntniskunst und circensischem Aufputz für viel Freude.

Was hat der Boden des einst der Aristokratie vorbehaltenen Praters nicht schon alles erduldet? Dort eröffnete 1847 das Affentheater des Heinrich Schreyer, ab 1853 fanden die Waldmusikfeste eines gewissen Herrn Johann Strauß im Gasthaus Zum wilden Mann statt. Eine Publikumsattraktion war auch die „Internationale Electrische Ausstellung“ in der Rotunde 1883 und natürlich der 1895 eröffnete Vergnügungspark „Venedig in Wien“. Der Bahöl, der lustvolle Krawall ist in diesem Teil der Leopoldstadt lang schon zu Hause.

So steht es in einer großen Tradition, dass das Wiener Stadion am Mittwochabend zum Exerzierfeld reich tätowierter Damen wurde. Besonders häufige Motive: Liebesbekenntnisse, exotische Ungeheuer und in Schönschrift eintätowierte Namen von Hunden. Diese mussten freilich an diesem Abend zu Hause bleiben. Denn die schrille Art, mit der US-Popsängerin Pink ihre Botschaften der Ermutigung sendet, wäre dem Gehör der Tiere abträglich gewesen. Der Mensch, zumal der durch das Tagesbegleitradio sozialisierte, ist da oft nicht so sensibel. So scharf, wie Pinks zur Tolle hochfrisiertes Haar gescheitelt war, so sauber teilen sich Menschenmeere, wenn es um ihre proletarische Bekenntniskunst geht. Jenen, die in der Musik nach Zwischentönen lechzen, ist Pink ein Graus.

Die Party muss beginnen!

Schon mit der Eröffnungsnummer, dem unbarmherzig Stimmung machenden „Get the Party Started“, zeigte sie sich entschlossen, mit allen Mitteln für Frohsinn zu sorgen. Eingeleitet von einem schrägen Solo aus einer rosa Plastiktröte, schwang sie sich an einem Luster hängend auf die Bühne. Wenn es kein Playback war, dann sang sie da tatsächlich mit dem Kopf nach unten. Vielleicht hatte das ja auch mit dem Namen der Tournee zu tun: „Beautiful Trauma“. Im gleichnamigen Lied ging es einmal mehr um die komplizierte Liebe, darum, dass alte Prägungen in neue Verhältnisse hineinstören. „My beautiful trauma, my love, my drug“ sang sie. Auch im nächsten Lied war die Liebe eine Droge, die ihr nicht gut bekam: „And I swear you're just like a pill, 'stead of makin' me better, you keep makin' me ill.“

So viel Ungemach musste kinetisch ausagiert werden. Pink hetzte kühn wackelnd über die Bühne, erhob sich, sicher angebunden, in luftige Höhen. Ihr schätzungsweise zu zwei Dritteln weibliches Publikum übte sich dazu im Ausrasten. Arme flogen in die Nachtluft, gewagte Schrittkombinationen wurden auf die rasenschonenden Gummimatten gelegt. Bloß die Jitterbug-ähnlichen Bewegungen, die Pink zu „Hustle“ vorgab, wurden nicht lang durchgehalten. Nicht alle waren so gut durchtrainiert wie Pink. Das Frauenbild, das sie kommuniziert, ist ein recht körperorientiertes. Hauptbestandteile sind ein schrilles Organ und ein fitnessstudiogestählter, tätowierter Leib.

Dazu ist sie stets um den Gestus der Emanzipiertheit bemüht. Und doch verfällt Pink, wenn es um die Liebe geht, zurück in Muster der Fünfzigerjahre. „I made you chase me“, sang sie einmal. Dabei könnte sie doch mit all ihren Attributen selbstbewusst zugreifen, selbst Jägerin sein. Doch sie scheint den Schmerz zu lieben, heißt doch ihr aktuelles Album „Hurts 2B Human“. Seifenopernszenarien liebt sie auch, in flotten Dancefloor-Nummern wie „Can We Pretend“ wie in ihren sülzigen Balladen.

Das Finale musste laut und funkensprühend sein. Ideal dafür war der Brüllhadern „So What“. Die wenigen unverkauften Schaumbecher zittern wohl immer noch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.07.2019)

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