Alpiner Luxus

Schindeln, Sichtbeton und Holzbalkone

Modern adaptierter Alpin-Stil in einem Chalet in Going am Wilden Kaiser.
Modern adaptierter Alpin-Stil in einem Chalet in Going am Wilden Kaiser.(c) JAMIE MCGREGOR SMITH/ Gornik Immobilien
  • Drucken

Domizile am Berg bleiben konservativ, öffnen sich aber zunehmend der Moderne.

Im echten Luxussegment ticken die Uhren häufig anders als im mittleren oder auch gehobenen Immobiliengeschäft. Denn wenn der Trend zur Dritt-, Viert- und Fünftimmobilie geht, stehen andere Überlegungen im Vordergrund, als wenn man in die Architektur und Qualität des ersten oder vielleicht zweiten Wohnsitzes investiert. Das zeigt sich besonders deutlich im alpinen Raum, wo in den vergangenen Jahren beispielsweise in Vorarlberg so große moderne Architektur umgesetzt wurde, dass das Ländle zur Pilgerstätte einschlägiger Studenten aus der ganzen Welt avancierte.

In Kitzbühel hingegen gedieh der traditionelle Tiroler Stil von derlei Zeitenläufen unbehelligt vor sich hin – schweres Schnitzwerk, wuchtige Balkone und jede Menge Altholz inklusive. Die Gründe für den mangelnden Enthusiasmus in Sachen Moderne liegen unter anderem darin, dass, wer schon ein Penthouse mit italienischem Design in der Stadt hat, beim Landwohnsitz auch genau dieses ländliche Lebensgefühl spüren möchte. Außerdem ist der Wiederverkaufswert bei derartigen Objekten immer ein Thema, und je näher man am gehobenen Mainstream bleibt, desto stabiler ist dieser. Und darüber hinaus scheuen viele das persönliche Engagement, das es für individuelle architektonische Objekte braucht. Denn wer diverse Länder und/oder Zeitzonen bespielt, möchte einfach nur ankommen und ausspannen können, ohne sich mit Handwerkern auseinandersetzen zu müssen.

Visualisierung eines Bauvorhabens am Seiwaldbichl bei Kitzbühel.
Visualisierung eines Bauvorhabens am Seiwaldbichl bei Kitzbühel.(c) Herbert Günther Bauplanung

Ende der Barockisierung

Was nicht heißt, dass auf dem alpinen Luxus-Immobilienmarkt keine Veränderungen stattfinden – sie dauern nur etwas länger und finden eher in Nuancen als radikal statt. „Vor 15 Jahren waren wir ja fast auf dem Weg zur Barockisierung des alten Weges, da lautete das Motto ,Je mehr Schnörkel, desto besser‘“, erinnert sich der bekannte Kitzbüheler Architekt Herbert Günther. „Inzwischen hat man sich wieder auf die Urform besonnen, und diese wird moderner interpretiert.“ Zu den Elementen, die in dieser modernen Interpretation eine Rolle spielen, gehören das Satteldach und die Materialien Holz, Putz, Stahl und Glas, außerdem kommt manches Alte wieder zu neuen Ehren. „Dazu gehören aktuell die Schindeln“, berichtet der Architekt. „Man sieht wieder viele Dächer, die mit Holzschindeln gedeckt sind, oder findet sie an den Fassaden.“ Ein Riesenthema ist nach wie vor die Verwendung des teuren Altholzes, das inzwischen in Ermangelung alter Stadl in Österreich von weit her gebracht wird, um die stetig wachsende Nachfrage zu befriedigen.

„Viele sagen ja, das ist wie in Disneyland, ich sehe es nicht so“, spricht sich der Architekt für die Verwendung der Hunderte Jahre alten Bretter aus, die seit Langem die Chalets und stilisierten Bauernhöfe der Region zieren – teilweise von der Decke über die Wände bis zum Boden. Auch Reinhard Strasser kennt die Kontroverse um das Altholz und stellt fest, dass dessen Verwendung in den ausgesprochen hochwertigen Objekten inzwischen ein wenig zurückgeht. „Es wird ausgesuchter eingesetzt“, berichtet der in Kitzbühel viel beschäftigte Interieur-Designer. Denn die massenhafte Verwendung der alten Bohlen habe einen leichten Image-Schaden erlitten. „Nachdem sich auch die Mittelschicht alles mit Altholz verkleidet hatte, kippt das im Top-Segment jetzt ein wenig“, kennt Strasser die Stimmungslage.

Jachtdesign am Berg

Wobei im Inneren immer schon ein wenig mehr Spielraum für moderne Experimente war als an der Fassade, das setzt sich jetzt weiter fort. „Es gibt beispielsweise ganz moderne Sachen wie gespachtelte Böden und Decken mit Sichtbeton“, so Strasser. „Und natürlich moderne Möbel. Außerdem ist Metall ein großes Thema – wenn auch eher warme Bronzetöne als maskuliner, schwarzer Stahl.“ Für die nötige Wärme, die man am Winterwohnsitz dann doch gern hätte, sorgen haptische Materialien wie Loden, Filz oder Felle – und natürlich die durchdesignten offenen Feuerstellen, ohne die keine Luxusliegenschaft in den Bergen auskommt.

Am liebsten „wohnfertig“

So langsam und behutsam die Veränderungen in Sachen Architektur und Interieur vor sich gehen, so rasant hat sich das Kaufverhalten in den vergangenen Jahren gewandelt. Denn wo einst noch „schlüsselfertig“ das Thema war, gibt es in Kitzbühel inzwischen so gut wie keinen hochwertigen Neubau mehr, der nicht samt Mobiliar, Lampen und Badeinbauten den Besitzer wechselt, wie Karin Gornik, Inhaberin von Gornik-Immobilien, berichtet. Und das sind die Basisvarianten, denn andere Chalets kommen gleich samt Vorhängen, Bettwäsche und Küchenbesteck daher – oder auf Wunsch schon mit den Skiern im Keller. Denn immer weniger Käufer wollen sich selbst mit Entscheidungen und Möbelkäufen in der Alpen-Immobilie auseinandersetzen, sondern am liebsten nur mehr mit der berühmten Zahnbürste im Gepäck anreisen. Die allerneueste Spielart auf diesem Sektor ist dem Jachtleben abgeschaut und setzt auf gebrandete Textilien wie Handtücher und Bademäntel, auf denen der Name des eigenen Luxus-Chalets eingestickt ist.

Mehr Freiflächen

Ein anderes Thema, das inzwischen eine große Rolle spielt, sind die Freiflächen. Denn da sich Kitzbühel immer stärker auch als Sommerdestination positioniert, wünschen sich zwar mehr Käufer eine Möglichkeit, draußen zu sitzen, allerdings ohne sich um die Gartenarbeit – sei es selbst verrichtete oder von einem Gärtner erledigte – kümmern zu müssen. „Deshalb sind seit einiger Zeit große Freiflächen auf den Balkonen sehr beliebt“, erzählt Gornik. Eine Nachfrage, auf die die Bauträger inzwischen reagieren, wie die Maklerin berichtet: „Dafür werden die Balkone jetzt architektonisch geschickt so vorgezogen, dass Platz für eine große Terrasse und eine Lounge ist. Dort kann man im Sommer grillen, aber genauso gut die ersten schönen Tage im März mit einem Heizstrahler im Freien verbringen, einen Glühwein trinken und die klare Luft genießen.“ Und das hinter dem schönen, dicken Holzgeländer, das plötzlich ganz neu als Sichtschutz zum Einsatz kommt – womit sich der Kreis zwischen neuen Wohnwünschen und klassischen Elementen wieder schließt. (sma)

PREISE

Neben dem Arlberg, wo aber kaum Immobilien auf den Markt kommen, ist Kitzbühel der heimische alpine Hotspot in Sachen Luxusimmobilien. Hier werden für den neuen, hochwertigen Wohnquadratmeter mittlerweile zwischen 17.000 und 20.000 Euro verlangt. Für den Quadratmeter Grund werden zwischen 4500 und 5000 Euro aufgerufen, es sind dafür aber auch schon mehr als 6000 Euro gezahlt worden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.