Schreddern ist out, aber der Stromboli hält garantiert dicht

Wie gehen verantwortungsvolle Unternehmen und Bewegungen mit sensiblen Daten um? Am besten orientiert man sich an der Mafia.

Selbstverständlich betreibt auch der Informations- und Unterhaltungskonzern des Gegengifts seit Jahrzehnten Message Control. Wir sind ein verantwortungsvolles Traditionsunternehmen, das genau weiß, was Tausende Mitarbeiter und Millionen Leser denken sollten.

Allerdings macht uns die Datenflut, die das Internet seit 29. Oktober 1969 mit sich gebracht hat, fast so viel zu schaffen wie den schickesten politischen Bewegungen. Mit Wehmut erinnern sich die Senioren hier in Erdberg an die Zeit, als sie einst Mafia-Filme verinnerlicht haben, die im düsteren New York spielten. Damals schrieben LeserInnen noch parfümierte Briefe oder strengere in Sütterlin-Schrift, die uns Schwächen in der Rechtschreibung oder der Gesinnung nachwiesen. Es war Ehrensache, dass betroffene Redakteure jene Papiere, welche die peinlichsten Fehler aufdeckten, wie im Kino vor versammeltem Ressort aufgegessen haben. So verdaute man kleine Sünden. Und der Rest kam in die Archive in den hintersten Bunkern von Erdberg. Mit falschen Kennzahlen in vertauschten Mappen. Die findet niemand mehr.

Seit Aufkommen der digitalen Revolution sind diese bewährten Methoden jedoch nicht mehr als Korrekturprogramm geeignet, vor allem, seit es intelligente Printer gibt. In unseren Abteilungen für darstellende und schöne Künste haben wir es uns nämlich angewöhnt, die besten Fan-Mails auf dem Chef-Drucker zehnfach zu kopieren und in den wichtigsten Konferenzräumen aufzuhängen. (Ich gebe zu: Als mir ein Vize-Sektionschef im Landwirtschaftsministerium schrieb, meine Theaterkritik sei besser gewesen als die Aufführung, habe ich das noch viel öfter vervielfältigt und an die 500 besten Freunde gesandt.)

Als wir nun aber direkt aus dem Kanzleramt erfahren haben, dass die cleversten Drucker-Festplatten selbst in den sichersten Amtsräumen ständig von feindlichen Mächten missbraucht werden, kam in der Redaktion allgemeine Nervosität auf. Am Ende kann also jeder beliebige Klassenfeind erfahren, was bei uns in der Zeitung steht! Gar nicht zu reden von der ständigen Gefahr unfreundlicher Übernahmen, sinistrer populistischer Unterwanderungen oder gar des geregelten Führungswechsels!

Ein Aktionsplan musste her. Das Schreddern war kategorisch auszuschließen – niemand weiß, welche Auswirkungen derartige Brutalität auf das Klima hat. Also wurde ein Flug nach Palermo gebucht, unter dem Decknamen Moses Maria. Dann ging es per Segelschiff zum Stromboli, wo bereits loyale Mitarbeiter der CIA, der EZB, des Vatikans und diverser schlagender Verbindungen Schlange standen. Rasch machten sie noch Selfies, ehe sie die Last ihrer Rucksäcke im Krater entsorgten. Der Vulkan hat gebrodelt. Aber gesagt hat er nichts.

E-Mails an:norbert.mayer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2019)

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