Gerechtigkeit und Klimaschutz

Welche Handlungsmaßnahmen ethisch besonders geboten sind, um dem Klimawandel entgegenzutreten, untersucht Thomas Pölzler an der Uni Graz.
Welche Handlungsmaßnahmen ethisch besonders geboten sind, um dem Klimawandel entgegenzutreten, untersucht Thomas Pölzler an der Uni Graz.(c) Stefan Robitsch
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Die „Fridays for Future“-Bewegung fordert Klimagerechtigkeit für künftige Generationen. Ob sie dabei die Moral auf ihrer Seite hat, untersucht der Grazer Philosoph Thomas Pölzler.

Wenn es um Methoden und Projekte jenseits etablierter Forschungsfelder geht, wird Philosoph Thomas Pölzler hellhörig. Der 35-jährige Postdoc an der Universität Graz schlägt aktuell einen Bogen zwischen politischer Philosophie, Psychologie und Ökonomie, und zwar mit Bezug auf das Thema Klimawandel. „Ich persönlich glaube, dass das ein extrem wichtiges Thema ist“, erklärt er. „Unser fahrlässiger Umgang mit der Natur richtet großen Schaden an.“

In Graz findet Pölzler offene Ohren für sein Interesse. Die Universität fördert seit vielen Jahren sehr erfolgreich Forschung zum Klimawandel und hat erst jüngst einen entsprechenden profilbildenden Bereich eingerichtet. Der Leiter des Arbeitsbereiches Praktische Philosophie, Klimaethiker Lukas Meyer, hat zum jüngsten Sachstandsbericht des Weltklimarats (IPCC) beigetragen.

Existenzialismus in der Jugend

Pölzler faszinierten schon als Schüler die großen Fragen der Menschheit. „Ich habe mich als Jugendlicher mit existenziellen Themen wie Sinnlosigkeit, Einsamkeit, Sterblichkeit beschäftigt“, erinnert er sich. In der Stadtbücherei seines Heimatortes Hartberg stieß er auf Nietzsche, Kafka, Sartre und Camus. Der Philosophieunterricht in der achten Klasse beförderte sein Interesse weiter. Vor allem die Affinität zu Camus wuchs. Inzwischen sieht er dessen Ansatz zwar kritischer, doch „irgendwann wird es mich dahin zurückziehen, mich mit der Frage nach dem Sinn des Lebens zu beschäftigen“, meint er.

Zunächst wendet sich Pölzler jedoch konkreten und drängenden Fragen zu. „In meiner Habilitation geht es um die Frage, was wir künftigen Generationen schulden“, erklärt er. Ist die heute lebende Bevölkerung künftigen Generationen zusätzliche Maßnahmen gegen den Klimawandel schuldig? Und wenn ja, wie konkret sollten diese Maßnahmen aussehen?

Zusätzliche Maßnahmen geboten

„Bei der Definition des intergenerationellen Gerechtigkeitsbegriffs spielt die Frage der Grundbedürfnisse eine bestimmende Rolle“, erklärt Pölzler. Zukünftig Lebende sollten genauso wie heute Lebende zuallererst in die Lage versetzt werden, diese Bedürfnisse befriedigen zu können. Um zu beantworten, welche Grundbedürfnisse allgemein akzeptiert sind und was unter diesem Begriff verstanden wird, stehen Onlinebefragungen in den USA, Japan, Brasilien und Österreich bevor.

Auch ökonomische Studien zum Einfluss von Klimawandelstrategien auf die Grundbedürfnisbefriedigung künftiger Generationen sind geplant. Auf Grundlage solcher Daten und darüber hinausgehender philosophischer Überlegungen sollen dann konkrete und realistische Handlungsanweisungen entwickelt werden. „Wir tun insgesamt viel zu wenig gegen den Klimawandel“, glaubt Pölzler. „Dieses Projekt soll zur Klärung der Frage beitragen, welche zusätzlichen Maßnahmen ethisch besonders geboten sind.“

Begonnen hat Pölzler mit seinem interdisziplinären Ansatz in den USA. Am College of Charleston in South Carolina hat er bis vor wenigen Monaten mittels eines Erwin-Schrödinger-Stipendiums des Wissenschaftsfonds FWF erforscht, wie philosophische Laien über die Objektivität der Moral denken. Dabei hat er mit der führenden Expertin auf dem Gebiet der sogenannten moralpsychologischen Objektivismusforschung zusammengearbeitet, der US-amerikanischen Psychologin Jennifer Wright.

Tischtennis und Vorträge an Elite-Unis

Im Rahmen seines USA-Aufenthalts genoss Pölzler nicht nur die Südstaatenatmosphäre in Charleston samt Hurrikanwarnungen, sondern erhielt auch Einblicke in die Methoden psychologischer Studien, hielt Vorträge an den Universitäten Harvard, Yale und Princeton und wurde College-Tischtennismeister, ein für eine amerikanische Bildungseinrichtung nicht unwichtiger Erfolg. Heimgekehrt nach Graz wird er seine interdisziplinäre Forschung fortsetzen und stößt damit auf sehr positive Resonanz.

ZUR PERSON

Thomas Pölzler promovierte nach seinem Master in Political, Economic and Legal Philosophy in Graz und New Brunswick 2015 mit einer Dissertation zum Thema „Moralische Realität und die empirischen Wissenschaften“. Es folgte ein Forschungsaufenthalt als Erwin-Schrödinger-Stipendiat in den USA, inzwischen ist er wieder am Institut für Philosophie der Universität Graz tätig.

Alle Beiträge unter:diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2019)

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