Rickeracke! Rickeracke!

Oder: Warum wir beim Schreddern auch an Wilhelm Busch denken müssen.

Ja, schreddern ist ein schlimmes Wort. Aber wenn man es sich einmal genau überlegt, ist das, was beim Schreddern passiert, noch viel schlimmer. Nun braucht niemand mit Festplatten (schon gar nicht, wenn sie aus Druckern in Kanzlerämtern stammen) Mitleid zu haben. Schon eher mit kleinen Parteimitarbeitern, die sich bei amateurhaften Versuchen, keine Spuren zu hinterlassen, von standardmäßigen Überwachungskameras überraschen lassen.

Das Schreddern an sich ist aber eine besonders gründliche Art der Zerstörung. Wer noch mit Wilhelm Busch auf dem Nachtkastl aufgewachsen ist, kann es förmlich hören, während die Gänsehaut sich aufstellt: „Rickeracke! Rickeracke! Geht die Mühle mit Geknacke.“ Statt eines modernen Metall-Reißwolfs ist bei Max und Moritz noch eine gute alte Mühle im Einsatz, geschreddert aber werden zwei Buben. Bei lebendigem Leibe. Die Mühle bedient hat übrigens Meister Müller („,Her damit‘“ und in den Trichter schüttelt er die Bösewichter“), gebracht hat die Buben – gar nicht anonym – der Bauer Mecke in einem seiner Maltersäcke. Ein Malter, das kann man bei so einer Gelegenheit gut einmal nachlesen, war eine Maßeinheit, die zum Abmessen etwa von Holz, Getreide und Kohle verwendet wurde. Und bevor wir vom Hundertsten ins Tausendste kommen: Zwei Klafter ergeben ein Malter.

Gemessen werden diese Woche quer durch Europa wieder Rekordtemperaturen auch jenseits der 40-Grad-Marke. Was vor allem in Ballungsräumen zunehmend als Problem wahrgenommen wird. Sogar von jenen überwiegend älteren, männlichen Politikern, die Klimaprobleme im Allgemeinen und Greta Thunberg im Besonderen noch vor wenigen Wochen recht abschätzig behandelt und belächelt haben. Die geraten nun zunehmend in Panik (wenn auch aus anderen Motiven, als Thunberg das wollte) und ändern wild quietschend ihre Linie. Ins Schwitzen kann man eben nicht nur wegen der Außentemperaturen kommen.

Dass der Abstand zwischen Europa und den britschen Inseln mit der Wahl von Boris Johnson eher größer geworden ist, symbolisiert auch der gescheiterte Überflugversuch des französischen Luftsurfer-Soldaten, der im Ärmelkanal endete. Er muss wohl noch über denChamps-Élyséesüben. Wenn er es das nächste Mal versucht, braucht er nach der Landung vielleicht schon einen Reisepass.

florian.asamer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2019)

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