Sauber trennen in schmutzigen Zeiten

Symbolbild: Bei der Firma „Reisswolf“ wurden Festplatten geschreddert.
Symbolbild: Bei der Firma „Reisswolf“ wurden Festplatten geschreddert.APA/HERBERT NEUBAUER
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Im Wahlkampf treffen haltlose Gerüchte auf berechtigte Kritik. Parteimanager subsumieren gerne alles großzügig unter Anpatzen. Wird dabei auch an den Langzeit-Effekt gedacht?

Ist die „Schredder-Affäre“ ein Skandal? Nein, bisher nicht. Weiß man, was auf den Druckerfestplatten aus dem Bundeskanzleramt war? Nein, bisher nicht. Wird all das die Wähler am Wahltag interessieren? Vermutlich nicht. Ist es dennoch wichtig, ausführlich darüber zu berichten? Auf jeden Fall.

Denn um einen „ganz normalen Vorgang“, wie die ÖVP das nennt, handelte es sich, zumindest das ist fix, nicht. Und zwar auch dann nicht, wenn man von der zugegebenen „Schlamperei“ (falscher Name, unbezahlte Rechnung) absieht und die gelebte Praxis miteinbezieht (politische Kabinette entscheiden relativ autonom, was mit nicht verakteten Daten passiert). Es bleibt seltsam (und ist möglicherweise ungesetzlich), wenn ein Mitarbeiter Datenträger unter den Arm klemmt und diese in höchster Eile aus Angst vor Beamten-Spionage privat zum Dreifach-Schreddern bringt. Und es ist und bleibt seltsam, dass sich keiner mehr erinnern kann, wer den Auftrag gab. Und nein, jugendliches Alter ist keine Entschuldigung, das sollte man in dieser ÖVP wissen.

Insofern unterscheidet sich die Schredder-Affäre deutlich vom trüben Strom der Halbwahrheiten und Gerüchte, der nun in den Wahlkampf hereinschwappt. Warum es überhaupt wichtig ist, das zu betonen? Weil aus Sicht der Parteimanager sich all das in den nächsten Wochen zu einem konzertierten Generalangriff auf den eigenen Kandidaten/die eigene Kandidatin vermischen wird. Motto: Was immer kommt, kommt aus dem Schmutzkübel. Der Bogen reicht dabei vom Schreddern zu einer Website mit Porno-Bezug, die ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer am Samstag als weiteres Indiz für die „schmutzigste Schlacht, die es jemals gegeben hat“ anführte.

Parteistrategen, die auch berechtigte Kritik unter Anpatzen subsumieren, wissen natürlich, was sie tun. Denn wer „Schmutzkübel!“ ruft, schafft Zweierlei: Er schließt einerseits die eigenen Reihen – zusammenhalten gegen den Feind, lautet die Devise. Und andererseits richtet man dem Publikum aus, dass es hier nicht um eigene Fehler geht, sondern die niedrigen Motive der Gegner. Nicht um richtig oder falsch, sondern Gut gegen Böse. Und das wirkt. Im Fall des Tiroler SPÖ-Chef Georg Dornauer muss man auch sagen: zu Recht. Er twitterte ein Mail, dessen Inhalt arg wäre, würde es stimmen. Es geht darum, dass die Tiroler EU-Abgeordnete Barbara Thaler (ÖVP) von Unternehmen Wahlkampfspenden für Gegenleistungen erhalten haben soll. Dornauer prüfte das Mail nicht, sondern schrieb: „Jeder Beobachter der Tiroler Politik weiß, dass die im Thaler-Mail dokumentierten Vorgänge wahr sein könnten.“ Das ist fast so gut (oder schlecht), wie einst das „stichhaltige Gerücht“ über George Soros von Johann Gudenus.

Was bei den Wählern von all dem langfristig hängen bleibt, kann aber kein Politiker wollen, nämlich, dass Politik ein schmutziges Geschäft ist: Irgendwie hängt jeder drin. Genau dieses „irgendwie“ darf man aber nicht stehen lassen. Wo es schmutzig wird, müssen Medien sauber trennen. Prüfen, was sich prüfen lässt, Gerüchte Gerüchte sein lassen und manchmal aussprechen, was man ungern sagt: Ich weiß es nicht.

ulrike.weiser@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2019)

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