Message Out of Control

Noch am Tag des Misstrauensvotums startete der ÖVP-Chef Sebastian Kurz – offenbar gut vorbereitet – in den Wahlkampf.
Noch am Tag des Misstrauensvotums startete der ÖVP-Chef Sebastian Kurz – offenbar gut vorbereitet – in den Wahlkampf.REUTERS
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Die ÖVP ist für ihre penibel geplante Kommunikation bekannt. Da passen Schreddervideos, E-Mail-Spekulationen und kritische öffentliche Wortmeldungen aus den eigenen Reihen nicht ins Bild. Es ist Sand im türkisen Wahlkampfgetriebe.

Der Zufall hatte bisher wenig Chance. Minutiös wurde geplant, wie man Botschaften unters Volk bringt – mit welcher Wortwahl, mit welchen Fotos und über welches Medium man die Geschichte „hinausspielt“. Das war in Jahres-, Monats- und Wochenplänen festgeschrieben. Penibel machten das die Strategen. So wollte die ÖVP-Regierungspartei (und mit ihr der Koalitionspartner) die Schlagzeilen bestimmen. „Sie nennen das Message Control“, sagte ÖVP-Chef Sebastian Kurz diese Woche zum Interviewer auf Servus TV. „Ich würde es Professionalität nennen.“

Je nach Blickwinkel ist in den vergangenen Wochen in der Volkspartei also entweder die Message Out of Control, also außer Kontrolle, geraten oder die professionelle Arbeit ungewöhnlich schlampig erledigt worden. Es haben sich Hoppalas und hinterfragenswerte Taten aneinandergereiht und für schlechte Presse gesorgt. Die dürfte Kurz ein viel größerer Dorn im Auge sein als er das öffentlich gern zugibt.

Begonnen hat es in der Wiener Stadthalle. Dort legte der freikirchliche Pastor Ben Fitzgerald dem ÖVP-Chef die Hand auf die Schulter und dankte Gott „so sehr, für die Weisheit, die du ihm gegeben hast“. Die Bilder, die mit zum Himmel gestreckten Händen betende Menschen zeigten, waren so sicher nicht beabsichtigt. Sie brachten Häme vom politischen Gegner und auch Kritik aus der Kirche. Er sei, sagte Kurz, „selbst überrascht gewesen“.

Die Partei versuchte, die Diskussion kleinzuhalten und lud am Morgen danach zu einer eilig einberufenen Pressekonferenz „anlässlich eines Fälschungsskandals“. Es war ein Skandal, von dem bis dahin noch niemand Notiz genommen hatte. Im Zusammenhang mit der Ibiza-Affäre seien, wie die ÖVP beklagt hat, E-Mails im Umlauf, die Kurz und Gernot Blümel fälschlicherweise belasten. Als Beweis für den Betrug legte die Partei ein Gutachten vor. Man wollte einer möglichen Enthüllung mit der Pressekonferenz zuvorkommen, die eigene Version der Geschichte zuerst erzählen. Strategisch ist das oft ratsam. In diesem Fall aber sorgte es erst recht für Spekulationen. Der endgültige Beweis, dass es sich um eine Fälschung handelt, sei noch nicht erfolgt, hat zuletzt auch Kurz eingestanden.

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