Er war ein Provokateur, meinten manche. Sicher ist: Er wollte etwas bewegen. Der Kärntner Choreograf ist 79-jährig gestorben.
Er war einer jener Künstler, denen man auch gern zuhörte: Seine Interviews waren fast so unterhaltsam wie seine Choreografien – und genauso rabiat. Da verglich er Jörg Haider mit einem Fliegenpilz, freute sich über Schweine auf der Bühne des Burgtheaters („Alle von Biobauernhöfen“) und erklärte, wie froh wir Österreicher doch sein könnten, wenn wir uns mit den Deutschen verglichen. „Die haben auch Betrüger. Aber haben sie einen Udo Proksch?“ Bei der Premiere von „Wiener Blut“ nahmen dann zehn als Sängerknaben verkleidete Komparsen ihre Zahnprothesen heraus und sangen die Bundeshymne.
Johann Kresnik hielt nicht viel von Zurückhaltung und Feinzeichnung, ob im Gespräch oder auf der Bühne. Ein Provokateur sei er, meinten manche, obwohl er selbst, wie die meisten Provokateure, das leugnete. Er wollte etwas bewegen. Ihn trieb ein Furor an, den manche wohl nicht nachvollziehen konnten. Ungerechtigkeit machte ihn wütend. Nazis machten ihn wütend. Die Verharmlosung von Krieg machte ihn wütend. Als Dreijähriger hatte er mitansehen müssen, wie sein Vater von einem Partisan erschossen wurde. Gewalt machte ihn wütend. Die Themen, die er wählte, waren oft politisch. Er choreografierte Stücke über die Verbrechen am Spiegelgrund, über Ulrike Meinhof, Ernst Jünger.
In Deutschland wurde er zum Star
Im besten Fall gelang es ihm, seinen Furor in erhellendes, beklemmendes Tanztheater umzusetzen. Dann wurde seine kräftige ästhetische Handschrift sichtbar. Schön und brutal waren diese Choreografien. Zuweilen und vor allem zuletzt aber gerieten seine Arbeiten zu laut, zu wuchtig. Manchmal wirkte die Wut dann gekünstelt. Vielleicht war sie das auch. Wer kann schon ein Leben lang wütend bleiben?
Der Bergbauernbub, der neben seiner Lehre als Werkzeugschlosser eine Tanzausbildung absolvierte, der in Deutschland zum Star und erst dann in Österreich entdeckt wurde, Johann Kresnik, der noch vor wenigen Wochen nach der Premiere seines – wieder einmal umstrittenen – „Macbeth“ das Goldene Verdienstzeichen des Landes Wien entgegennahm, ist am Samstag überraschend an Herzversagen gestorben. (best)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.07.2019)