Netrebko bei den Salzburger Festspielen: Die Diva und der Stimm-Tsunami

Anna Netrebko
Anna NetrebkoAPA/BARBARA GINDL
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Ein Bühnenreißer wie Cileas „Adriana Lecouvreur“ steht eigentlich quer zur Idee einer konzertanten Aufführung. Nicht aber, wenn Anna Netrebko erscheint.

Wer hat nun recht? Die Festspiele zeigen uns verrätseltes Bildertheater einerseits, bieten andererseits die Weltstars, die früher einmal in Salzburg immer auch bei szenischen Produktionen erwartet wurden, vor allem in konzertanten Aufführungen. Noch dazu solchen von Werken, die in der fast 100-jährigen Geschichte kaum je als festspieltauglich galten. Einen Karajan hat man beinah noch gesteinigt, als er Verdis „Aida“ aufs Programm setzte. Nun also Cileas „Adriana Lecouvreur“ – was hätte Festspielgründer Richard Strauss dazu gesagt? Ein filmreifes Spektakel, der Paradoxien nicht genug, konzertant. Und danach befand mit Sicherheit die Mehrheit der Gäste: Inszenierung? Brauchen wir gar nicht! Tatsächlich bannt eine Anna Netrebko ihr Publikum ja ganz ohne Regisseur. Wo sie erscheint, ist Theater. Musiktheater. Das funktioniert, scheint's, ganz von selber.

Die Kunst des Augenblicks

Es war von jeher nicht nur die Schönheit der Stimme, die den einzigartigen Erfolg dieser Künstlerin ausgemacht hat. Vielmehr ist es bis heute die offenbar instinktive Kombination aus vokalem und schauspielerischem Ausdruck, die seelische Zustände wie dramatische Situationen unmittelbar erfahrbar werden lässt. Welch ungeheure Wirkung vermag die Netrebko mit einem Blick, mit einem jähen Wechsel der Stimmfarbe zu erzeugen: Wenn sie inmitten der äußersten Depression des vierten Akts meint, ein Präsent ihres Geliebten erhalten zu haben, genügt es, dass sie dessen Namen ausspricht, und es scheint für einen Moment die Sonne im Festspielhaus aufzugehen.

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