Niederlande: Den Haags dunkle Geschichte

Die Grünen-Politikerin Serpil Ates fordert, dass sich insbesondere die Stadt Den Haag für ihre Rolle während der Zeit des Sklavenhandels offiziell entschuldige.
Die Grünen-Politikerin Serpil Ates fordert, dass sich insbesondere die Stadt Den Haag für ihre Rolle während der Zeit des Sklavenhandels offiziell entschuldige.(c) Reuters (United Photos)
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Die Stadt Den Haag müsse sich für die Rolle in der Zeit des Sklavenhandels entschuldigen, fordert eine Politikerin – und löst damit einen Wirbel im Stadtrat aus.

Den Haag. 156 Jahre nachdem die Niederländer am 1. Juli 1863 als letzte Kolonialmacht Europas den Sklavenhandel abgeschafft haben, bewegt dieses dunkle Kapitel die Gemüter. In den einstigen Kolonien Surinam und auf den sechs niederländischen Karibikinseln, die heute noch zum Königreich gehören, erklangen damals 21 Böllerschüsse. Sie signalisierten damals: Die Sklaven sind fortan freie Menschen.

Das galt aber nicht für das gesamte Kolonialreich: Auf einigen Inseln in Indonesien, niederländische Kolonie bis 1945, nach niederländischer Sichtweise sogar bis 1949, ging der Sklavenhandel trotzdem weiter wie etwa auf Bali bis 1877, auf Sumbawa bis 1910 und auf Samosir sogar bis 1914.

Die Grünen-Politikerin Serpil Ates fordert nun, dass sich insbesondere die Stadt Den Haag für ihre Rolle während der Zeit des Sklavenhandels offiziell entschuldige, „weil Den Haag das administrative Zentrum des Sklavenhandels war“, wie sie sagt. Historisch ist das jedoch nicht ganz korrekt, an der Debatte ändert dies freilich nichts. Denn es waren vor allem die beiden großen holländischen Handelsgesellschaften mit ihren Schiffsflotten, die Vereinigte Ostindische Kompanie und die Vereinigte Westindische Kompanie, die das Geschäft mit den Sklaven machten und diese über die Ozeane transportierten. Die Niederländer „versorgten“ andere Kolonialmächte wie Großbritannien, Portugal, Frankreich und Spanien mit Sklaven, die vor allem in der Landwirtschaft arbeiten mussten. Und diese Kompanien hatten ihre Sitze in Amsterdam.

Wie beladen dieses dunkle Vergangenheit ist, zeigt aber gerade auch das Beispiel Den Haag: Im Dezember 2017 wurde im Haager Museum Mauritshuis, wo viele Meisterwerke der großen Maler wie Vermeer, Rembrandt, Jan Steen, Paulus Potter zu sehen sind, die Büste des Gründers des nach ihm benannten Museums entfernt. Johann Maurits van Nassau-Siegen ließ sich das heutige Mauritshuis-Museum einst als sein Stadtschloss in Den Haag bauen. Zwischen 1636 bis 1644 war er Gouverneur einer niederländischen Kolonie im heutigen Brasilien. Er verdiente einen Großteil seines Vermögens mit dem Sklavenhandel.

„Richter über die Geschichte“

Der Stadtrat von Amsterdam hat sich für die Rolle, die die niederländische Hauptstadt im Sklavenhandel spielte, entschuldigt. Nun müsse dies auch Den Haag tun, sagen die Grünen. Im Stadtrat gibt es großen Widerstand. „Es gibt keine kollektive Erbschuld“, meint der rechtsliberale Stadtrat Jan Pronk. „Es ist billig, sich nach so langer Zeit zum Richter über die Geschichte zu machen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.07.2019)

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