Ö1-Chef Peter Klein geht ihn Pension - und träumt vom "Palast des Wissens"

OE1 Oe1 Funkhaus Chef Klein by Akos Burg
OE1 Oe1 Funkhaus Chef Klein by Akos BurgAkos Burg
  • Drucken

Er fürchtet den Provinzialismus, mag die „eigensinnigen“ Ö1-Kollegen und hat für die Pension „null Plan“: Channelmanager Peter Klein hat seinen letzten Arbeitstag.

Am Schreibtisch steht ein Radio aus Afrika. Das Gehäuse ist aus Draht, verziert mit grünen Glasperlen. „Das funktioniert sogar“, sagt Peter Klein und stellt es an. Das Gerät ist ein Mitbringsel aus Afrika. Fernreisen sind sein Hobby. Er schätzt die andersartige Kultur, die Menschen, die Landschaften. Er brauche stets „eine massive Veränderung“, um abschalten zu können. Und das Reisen habe auch „die Funktion, das Koordinatensystem wieder gerade zu stellen“: Er wisse dann wieder „das Unwichtige vom Wichtigen zu unterscheiden“, sagt Klein. „Ich fürchte mich davor, dass man in dieser entzückenden, völlig problemfreien, kleinen, hochgradig befriedeten Republik namens Österreich im Provinzialismus erstickt, indem man der Ansicht ist, die Welt reicht genau vom Neusiedler- bis zum Bodensee. Diese miese Stimmung, die manchmal im Land herrscht, wo alle finden, alles ist furchtbar, und dann entsprechend wählen, hat auch damit zu tun, dass man überhaupt nicht weiß, in welch glücklicher Lage wir sind.“

Heute, Mittwoch, hat Klein seinen letzten Arbeitstag. Er geht mit einem lachenden und einem weinenden Auge. „Zum einen ist es Zeit: Ich bin seit 39 Jahren beim ORF und werde im August 66 Jahre alt.“ Er freue sich, nicht mehr für 200 Leute, ein 24-Stunden-Programm und „ziemlich viel Geld“ verantwortlich zu sein. „Auf der anderen Seite habe ich null Plan.“ Nicht einmal eine Fernreise ist gebucht. „Ich lebe seit meinem 23. Lebensjahr von journalistischer Arbeit. Das führt zu einem merkwürdigen Zustand: Ich komme mir vor wie ein Durchlassventil – alles, was ich aufnehme, durch Gespräche, Begegnungen, Lektüre, Reisen, wird direkt oder indirekt produktwirksam. Man nimmt auf und gibt etwas her. Ich habe überhaupt keine Vorstellung von einem Leben, wo man nur mehr aufnimmt und nichts mehr abgibt. Manchmal fürchte ich, dann an intellektueller Verstopfung zu sterben.“

Das Funkhaus - „großartig“ und „hässlich"

Seit 1980 ist der studierte Psychologe und Politikwissenschaftler beim ORF-Radio, machte Dokumentationen, schrieb Hörspiele, war Ressortleiter, bevor er Ö1-Chef wurde. Die Übersiedlung auf den Küniglberg hat er mit vorbereitet, wird sie aber nicht mehr mitmachen. „Ich war in dieser Frage immer sehr gespalten und habe hier auch lange Zeit eine Meinung vertreten, die nicht mehrheitsfähig war“, sagt er. „Ja, die Adresse ist nicht zu toppen: Das Funkhaus mitten in der Stadt, leicht erreichbar, dieses schöne alte Gebäude ist großartig.“ Aber man müsse es dem ORF zugestehen, wenn er einen gemeinsamen Standort für alle Teile des Unternehmens wolle. Als Besucher sehe man auch nur die schönen Teile des Funkhauses. „Die Büros im vierten Stock, nicht klimatisiert, unterm Dach, schauen immer noch so aus wie 1938. Da ist eine Einzelzelle neben der anderen: heiß, hässlich und völlig unkommunikativ. Das hat mit einer Medienorganisation im 21. Jahrhundert überhaupt nichts zu tun.“

Die Konkurrenz, die durch die neuen technischen Möglichkeiten entstanden ist, macht Klein keine Sorgen: „Ich bin, was Ö1 betrifft, sehr optimistisch. Denn die Welt ist komplex. Es gibt weit mehr Fragen als Antworten.“ Die Gesellschaft suche Halt und Orientierung. „In diesem Wust von Fragen und Veränderungen – Klimawandel, Geschlechterrollen, Migration, Religion – liegt ein Sender wie Ö1 genau richtig. Ö1 wächst, obwohl es viel Konkurrenz gibt.“ Das zeigt auch der jüngste Radiotest 2018/19: Die Reichweite des Senders stieg von 8,5 auf nunmehr 9 Prozent. „Wir Menschen brauchen verlässliche Partner, jemanden, der die Welt für uns sortiert. Und genau das tut Ö1.“

Ö1 braucht „einen politisch wachen“ Chef

Als Nachfolger, bzw. wenn es nach den Vorschlägen der Redaktion geht: Nachfolgerin, wünscht sich Klein „einen politisch sehr wachen und sehr interessierten Menschen, auch sehr belesen“. Ein Ö1-Channelmanager müsse mehr sein als Geschäftsführer und Programmdirektor. Als „guter Außenminister“ müsse man Kontakt zu Intellektuellen und Kulturschaffenden pflegen, „denn wir leben von deren geistigen Produkten“. Als „Innenminister“ müsse man sich im Konzern durchsetzen. Und noch etwas sei ganz wichtig, betont er: „Man darf sich nicht vor Menschen fürchten, denn die Ö1-Kollegen können sehr eigensinnig sein. Das ist ein riesen Kapital, aber ich gebe zu, dass ich mir gelegentlich gewünscht hätte, dass sie ein bisschen weniger stur sind.“

Bis 2021 sollen im ORF 330 Posten wegfallen – ein Zehntel der ursprünglichen Belegschaft. „Ö1 ist keine Insel. Wir sind davon nicht ausgenommen.“ Es sei schwierig. Aber möglich, ist er überzeugt: „Wir werden in den nächsten Jahren mit einigen Leuten weniger zu rechnen haben. Wobei ich auch sagen muss: 145 Angestellte und 44 fixe freie Mitarbeiter sind nicht ganz wenig.“ Er rechne mit ein, zwei schmerzlichen Jahren. „Aber ich würde mich wundern, wenn Ö1 nicht auch mit 140 Angestellten ein erstklassiges Programm zustande bringen würde.“

Ö1 als „akustische Nationalbibliothek"

Und was wünscht sich der scheidende Ö1-Chef vom Gesetzgeber? „Ich halte die Idee, dass es einen entpolitisierten ORF geben könnte, für naiv und nicht praktizierbar.“ Was die mittlerweile geplatzte ÖVP-FPÖ-Regierung betrifft, so ist er froh, dass sie ihre Pläne für ein ORF-Gesetz nicht umgesetzt hat, „denn wie wir wissen, war die kleinere der beiden Regierungsparteien dafür, die Gebühren abzuschaffen. Dafür kann, will und werde ich nicht sein.“ Andererseits brauche es „dringend eine Veränderung der Gesetzeslage im digitalen Bereich“: Das aus Gebühren finanzierte Programm von Ö1 solle nicht nur sieben, sondern „zumindest 30 Tage“ als Stream zur Verfügung stehen. Sein Wunschtraum? „Wir errichten die akustische Nationalbibliothek Österreichs. Den Palast des Wissens.“

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Morgenglosse

Für den neuen Ö1-Channelmanager heißt es: Bitte warten!

Morgen geht Ö1-Chef Peter Klein in Pension. Doch ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz lässt sich mit der Nachbesetzung Zeit.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.