Führungsfehler

Wie man seine Lieferanten diskreditiert

Kolumne. Lieferanten schlecht zu machen hat in vielen Einkaufsabteilungen Tradition. Vielleicht sind sie wirklich zu teuer. Oder das Bakschisch stimmt nicht. Oder sie sind einem nicht sympathisch. Oder man will einfach nur gut dastehen.

Die folgende Anleitung zum Diskreditieren von Lieferanten stammt vom Julien Caussin, versiertem deutschen Einkaufs- und Supply Chain-Experten. Wir hoffen nur, dass er sie nicht selbst anwendet:

Malen Sie schwarz.
Der Lieferant ist nicht „mal gut, mal weniger“, sondern „schlecht“. Nur „schlecht“. Keine Grautöne. Liefert er mal besonders gute Ware oder Mehrwert oder ist kulant, dann ist das selbstverständlich. Nicht weiter erwähnenswert. Der Rest ist „schlecht“.

Entmenschlichen Sie Ihren Lieferanten.
Der Lieferant ist kein „Geschäftspartner“, schon gar kein „Mensch“. Sondern ein „Scheißladen“. Oder „der Depp aus dieser Gurkentruppe“.

Trommeln Sie jede Beschwerde.
Verfestigen Sie das Bild des schlechten Lieferanten, indem Sie Ihre Beschwerde jedem erzählen. Mehrfach. Schon Aldous Huxley wusste, dass 62.000 Wiederholungen eine Wahrheit ergeben. Donald Trump weiß es auch.

Formulieren Sie so, dass es jeder Laie versteht.
Nicht: „Die Qualität entspricht zwar gerade noch DIN934, aber es werden sich Folgeschäden zeigen, weil die Messwerte im äußersten Vertrauensintervall liegen.“
Sondern: „Die Lieferung ist kompletter Schrott.“

Keine Statistiken.
Finger weg von objektiven Daten. Betreiben Sie Storytelling.
Also nicht: „Einer von tausend Kunden ist wegen der verspäteten Lieferung abgesprungen.“
Sondern: eine herzzerreißende Geschichte über die Bemühungen der Verkaufstruppe und unzählige Überstunden, um diesen einen enttäuschten Kunden wieder an Bord zu holen. 

Verbreiten Sie die Botschaft.
Lassen Sie diese Geschichte überall fallen. Im Verkauf, im Marketing, in der Produktion – und am besten beim Geschäftsführer.

#MeinLieferantIstSoEineNiete
Twittern Sie. Bloggen Sie. Geben Sie am Firmenfest einen Sketch über Ihren Lieferanten zum Besten. Lassen Sie keine Gelegenheit aus, ihn dumm dastehen zu lassen.

Diskreditieren Sie seine Unterstützer.
Unterstellen Sie jedem, der den Lieferanten verteidigt, unlautere Motive. Aber Achtung, nichts sagen, was gegen Sie verwendet werden kann. Empfohlen sind vage Andeutungen wie: „Müller wird schon seine Gründe haben“ oder „Das sind die alten Seilschaften.“

Schaffen Sie ein Die-gegen-Uns-Gefühl.
Nichts wirkt stärker als ein gemeinsamer Feind. Lasst uns alle zusammenhalten gegen diese Luschen!


Wir empfehlen selbstverständlich das genaue Gegenteil all dieser Maßnahmen. Vielleicht hilft dieser Beitrag, den Mechanismus von Diskreditierung zu verstehen.

Er gilt nicht nur im Einkauf.

Das Management. Unendliche Möglichkeiten für Fehler. Wenn Sie einen solchen loswerden wollen, schreiben Sie an: andrea.lehky@diepresse.com

Ähnlichkeiten mit realen Personen und Unternehmen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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