„Mich interessiert auch die Peripherie“

Elmar Trenkwalders aus 114 glasierten Tonteilen bestehender Schrein von 2012 füllt auch ohne Titel Raum und Kopf.
Elmar Trenkwalders aus 114 glasierten Tonteilen bestehender Schrein von 2012 füllt auch ohne Titel Raum und Kopf.Liaunig/Trenkwalder
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Wer in Österreichs südlichsten Zipfel reist, sollte für einen Besuch in Herbert Liaunigs Museum Zeit haben. Aktuell sind dort eine Themen- und zwei Sonderausstellungen zu sehen – sowie europäisches Silber und afrikanisches Gold.

Auf der internationalen Museumslandkarte ist das 2012 unter Denkmalschutz gestellte, vielfach ausgezeichnete Museum Liaunig in der 1400 Seelen zählenden Südkärntner Gemeinde Neuhaus/Suha längst eine Größe. Aber Hinweisschilder auf der Südautobahn? Fehlanzeige. Ein Navi ist also nicht schlecht, um die richtige Abfahrt zum spektakulären Kunsttunnel nicht zu verpassen, den die Wiener Architektengruppe Querkraft 2008 großteils unter die grüne Wiese gebohrt hat. Nur die Enden der 160 Meter langen Galerie ragen wie unbekannte Flugobjekte aus Beton und Glas aus dem Grashügel und eröffnen innen betörende Ausblicke auf die Berg- und Flusslandschaft.

Vor vier Jahren wurde das Museum von 5000 auf 7500 Quadratmeter erweitert und ein überirdischer Skulpturengarten angelegt. Schön viel Platz also für mehr als 3000 Werke, die der Industrielle Herbert Liaunig gemeinsam mit seiner Frau gesammelt hat, vornehmlich Österreichisches seit 1945, außerdem kostbare Briefmarken, Glas, europäisches Silber, afrikanisches Gold.

Alter Meister trifft Außenseiter

„In Österreich kenne ich fast alle Künstler, hier habe ich den größten Überblick und als Sammler mit begrenzten Möglichkeiten auch die Chance, Schlüsselwerke zu bekommen“, erzählt Liaunig der „Presse“. Es interessiere ihn dabei aber nicht nur „der Mainstream, sondern auch die Peripherie, junge Positionen, Künstler, die vergessen, unterbewertet, übersehen wurden, die nie die Wertschätzung erfuhren, die sie verdient hätten“. Denn: „Künstlerische Qualität geht oft nicht mit materiellem Erfolg oder Bekanntheit einher.“

In der Tat sind die jährlich wechselnden Sammlungspräsentationen, die von Anfang Mai bis Ende Oktober öffentlich zugänglich sind, erhellende Entdeckungsreisen zu Außenseiterpositionen, die sich ebenso selbstverständlich wie selbstbewusst neben arrivierten Kollegen und alten Meistern behaupten müssen.

Für die aktuelle Hauptausstellung hat Peter Liaunig, Sohn des Sammlers und vom Vater mit der Leitung des Hauses betraut, gemeinsam mit Günther Oberhollenzer, Kurator der NÖ Landesgalerie in Krems, rund 200 Arbeiten von 100 Künstlerinnen und Künstlern aus dem Depot geholt. Der Titel der Zusammenschau, „Der Zukunft herzlichst gewidmet“, ist dem Werk des 2009 verstorbenen Künstlers Claus Mayrhofer Barabbas entlehnt und geradezu paradigmatisch für die Sammlung, ja für Kunst überhaupt.

Freilich ist er in seiner unbestimmten Allgemeingültigkeit aber auch einigermaßen wolkig, weshalb Oberhollenzer die Arbeiten zu fünf Kapiteln bündelte: Konstruierte Künstlichkeit, Farbgeschichten in Rot, Blau und Gelb, Naturlandschaften, Körperstudien sowie Fantastische Welten.

Ob nun aber Michael Kienzers rot nuancierte Materialcollage zu den konstruierten Künstlichkeiten gehört oder zu den Farbgeschichten, ob Meina Schellanders 14-teilige Serie „Berganalyse“ künstlich konstruiert oder doch eher eine kritische Auseinandersetzung mit Naturlandschaft ist, ob Roman Scheidls „Wasser des Lebens“ und die benachbarten „Posaunenbläser“ von Anton Kolig als Körperstudien durchgehen oder lieber in den Fantastischen Welten wohnen sollten und stattdessen die „Sitzenden“ des Gugginger Künstlers Oswald Tschirtner gemeinsam mit dem Dialogpartner „Figure“ von Joan Miró aus den Fantastischen Welten in die Körperstudien umsiedeln könnten – all das ist letztlich unerheblich. Und höchstens ein Beweis dafür, dass sich Kunst nie gänzlich in stilistische und/oder formale Planquadrate einfügen lässt. Auch keine schlechte Erkenntnis übrigens.

Paul Klee trifft Roland Goeschl

Dennoch sind diese auf dem Boden markierten Themenregionen durchaus dankbare Sehhilfe. Denn natürlich findet das zart gemalte „Bergmassiv“ von Brigitte Bruckner in der Region Naturlandschaften seine Heimstatt. Herbert Boeckl, Max Weiler, Hubert Schmalix, Helmut Swoboda, alles klar: Natur. Die wuchtig-dunkle Collage aus Spiegelfolien von Rudolf Polanszky oder Helga Philipps „Kinetisches Objekt“ dokumentieren konstruierte Künstlichkeit, Arbeiten von Maria Lassnig, Walter Pichler und den Aktionisten sind bei den Körperstudien gut aufgehoben. Ona B.s knallrotes „Big Secret“ aus Hackenstielen, Holz und Nägeln erzählt – auch – eine Farbgeschichte. In dieser Paul Klees in Rot und Blau gehaltenes Aquarell „Der Clown und seine Blume“ von 1939 mit dem 30 Jahre jüngeren „Relief in Rot und Blau“ Roland Goeschls ein äußerst anregendes Zwiegespräch über die Zeitlosigkeit guter Kunst führt.

Überkonfessioneller Schrein

Ganz ohne Zweifel ist Elmar Trenkwalders wuchtiges Rauminstallationsmassiv, eine Art überkonfessioneller Heiligenschrein, gut aufgehoben in den Fantastischen Welten: Dort, wo es überhaupt ein bisschen unaufgeräumter zugeht und auch Mammut und Stegosaurus ruhen, zwei Fiberglas-Urtiere, die Hans Schabus aus einem deutschen Themenpark in die Kunstwelt gerettet hat. Neben den Gugginger Künstlern, Hundertwasser, Rudi Schönwald etc. findet man hier übrigens auch ein Frühwerk Kurt Kocherscheidts aus seiner „Wirklichkeiten“-Zeit.

Kocherscheidt ist – nach Wolfgang Hollegha – im dreieckigen Sonderausstellungsraum der zweite Teil der Serie „Alte Freunde“ gewidmet (der am 4. August eröffnet wird). Im Grafikraum wiederum hat sich Peter Baum, der das Museum von Beginn an beratend begleitet, zum 80er selbst eine feine Sonderschau geschenkt. Der notorische Fotograf und Sammler zeigt Schätze aus eigenem Besitz, von Autogrammen („die habe ich als Erstes gesammelt“) bis zu Kunst, nicht nur von Staudacher, Rainer oder Ahmet Oran, sondern auch von sich selbst, aus den 60er-Jahren, eher er Leiter der Neuen Galerie in Linz wurde.

Öffnungszeiten: bis 31. 10., Mi.–So. 10–18h.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2019)

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