Niedrigzinsen: "Sparen zahlt sich nicht mehr aus"

Fabry
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Für Notenbank-Vizegouverneur Gottfried Haber ist die derzeitige Niedrigzins-Phase kein Dauerzustand. Eine Wende hänge von vielen Faktoren ab, auch vom Brexit.

Die aktuelle Niedrigzinsphase ist "historisch sehr außergewöhnlich und kann und soll ökonomisch kein Dauerzustand sein", sagte Gottfried Haber, seit drei Wochen neuer Vizegouverneur der Nationalbank am Tag nach der Zinssenkung der US-Notenbank Fed. Wie sich die Zinsen in nächster Zeit entwickeln werden, hänge aber von vielen geopolitischen Faktoren ab - nicht zuletzt vom Brexit.

Haber geht wie der scheidende OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny davon aus, dass die Zinsen in absehbarer Zeit steigen, zunächst aber nicht mehr das Niveau von vor der Wirtschaftskrise erreichen werden. Das aktuelle Zinsniveau bringe das Gefüge zwischen Sparern und Kreditnehmern durcheinander, weil sich Sparen nicht mehr auszahle. "Auch für das Geschäftsmodell von Kreditinstituten sind derartige Zinssituationen nicht unproblematisch", so Haber, der sich klar gegen negative Sparzinsen ausspricht, wie es sie im Ausland teilweise schon gibt: Bei Spareinlagen - wie auch bei Krediten - wären negative Zinssätze "sinnwidrig".

Der bevorstehende Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU bringt sehr viel Unsicherheit mit sich: "Das Schwierige am Brexit ist, dass das ein bisher noch nie da gewesenes historisches Ereignis für die EU ist. Niemand kann seriös alle möglichen Folgen einschätzen, vor allem nicht, wenn es einen No-Deal-Brexit gibt, also einen Austritt ohne ein Abkommen zwischen der EU und Großbritannien." Am Tag des Brexit werde eine mögliche "sprunghafte Entwicklung" davon abhängen, wie weit die Realität von den Erwartungen der Märkte abweicht. Mit einem "big bang" sei aber nicht zu rechnen. Grundsätzlich sei Panikmache fehl am Platz, weil schon viele Vorbereitungen getroffen wurden. Zur langfristigen Entwicklung verweist Haber darauf, dass praktisch alle Analysten davon ausgehen, dass der Brexit für Großbritannien nachhaltig negativ sein wird. Für den Euroraum seien die Prognosen hingegen unklar.

Kein Spielraum bei Inflation

Zuletzt haben Äußerungen von EZB-Chef Mario Draghi zu Spekulationen geführt, die EZB könnte ihr Inflationsziel aufweichen. Die EZB hat den klaren Auftrag, die Inflation unter zwei Prozent aber nahe an zwei Prozent zu halten, sagt dazu Haber. "Das lässt aus meiner Sicht wenig Interpretationsspielraum offen." Man müsse aber aus seiner Sicht "eine gewisse Bandbreite bei der kurzfristigen Inflationsrate" zulassen, damit nicht bei jeder kleinsten Veränderung die EZB eingreifen muss. Ökonomisch allerdings sei klar, dass auch eine Inflation knapp über zwei Prozent als Preisniveaustabilität gelten könne. Er wies darauf hin, dass zuletzt Präsident Draghi von einer "Symmetrie" in Bezug auf das Inflationsziel gesprochen habe. Dies weise auf eine aktuelle Diskussion über die Interpretation des Inflationsziels der EZB hin.

Der designierten EZB-Chefin Christine Lagarde, bisher IWF-Chefin, traut Haber die neue Aufgabe zu. Sie sei inhaltlich als kompetente IWF-Chefin "international faktisch unbestritten". Die nötige Qualifizierung für die Geld- und Währungspolitik bringe sie mit, die Integrität ebenso. Auch an ihrer Unabhängigkeit zweifelt Haber nicht, außerdem würden Entscheidungen vom EZB-Rat getroffen, nicht von der EZB-Chefin alleine.

Als Vizegouverneur der OeNB ist Haber, der auf einem ÖVP-Ticket in der Nationalbank ist, für die Bankthemen, für die Finanzmarktstabilität, die Bankenaufsicht und die Statistik zuständig. "Das Schöne an der Aufgabe ist, gemeinsam mit tollen Experten und Expertinnen des Hauses ökonomisch spannende Themen unmittelbar beobachten und da und dort mitgestalten zu können."

(apa)

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