Die Sozialdemokraten suchen seit Wochen eine neue Parteispitze. Aber der Andrang ist überschaubar.
Berlin. „Bleibt beieinander und handelt besonnen!“: Vor genau zwei Monaten hat Andrea Nahles das Ende ihrer glücklosen Ära als SPD-Vorsitzende verkündet. Seither ist „das schönste Amt neben dem Papst“ vakant, wie Franz Müntefering den SPD-Vorsitz einst umschrieb. Doch das Zitat ist 14 Jahre alt. Heute zirkulieren andere Vergleiche. Der SPD-Vorsitz würde behandelt wie „ein infektiöses Kleidungsstück, das sich niemand ins Haus holen will“, klagt Ex-Parteichef Sigmar Gabriel. Nach Halbzeit der Bewerbungsfrist um die Nahles-Nachfolge gibt es noch immer keine aussichtsreichen Kandidaten. Es wird gezaudert, gezögert, abgesagt. „Wie eine heiße Kartoffel wird das Amt herumgereicht“, sagt der renommierte Politologe Oskar Niedermayer zur „Presse“. Und die Zeitung „Welt“ witzelt über das große „Wegrennen“ von dem SPD-Vorsitz.
Seit 1. Juli und noch bis 1. September kann man sich für den Chefposten der ältesten Partei Deutschlands bewerben, und zwar vorzugsweise als Doppelspitze aus Frau und Mann. Die lange Frist galt als kluger Schachzug. Sie sollte Ruhe in die Partei bringen. Doch zuletzt herrschte eher Totenstille. Vorerst haben nur Außenamtsstaatssekretär Michael Roth und die Lokalpolitikerin Christina Kampmann kandidiert. Paar Nummer zwei wollen Gesundheitsexperte Karl Lauterbach und Nina Scheer bilden: Die beiden Abgeordneten versuchen, mit der Forderung nach einem Ende der Großen Koalition die Herzen der Basis zu erobern – ein SPD-Parteitag im Dezember könnte ja die Regierung sprengen. Aber das Medieninteresse an den Bewerbern ist, vorsichtig formuliert, verhalten. Sonst hat die 76-jährige Gesine Schwan eine Kandidatur erwogen, aber nur, weil sie es „peinlich“ fand, dass sich sonst kaum jemand meldet.