Die importierte Gefahr

Trumps Protektionismus sieht im Freihandel eine Bedrohung für die nationale Sicherheit.

Gastkommentare und Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.

Handelspolitisch führen die USA derzeit international einen Mehrfrontenkrieg. Strafzölle in Milliardenhöhe werden einmal angedroht, einmal tatsächlich (kurzfristig) verhängt. Allen Unkenrufen zum Trotz entwickeln sich die US-Aktienmärkte prächtig. Das deutsche Handelsblatt schrieb unlängst: „Die US-Wirtschaft feiert in diesem Monat den längsten Aufschwung seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1854. Im zweiten Quartal 2019 lag die Arbeitslosigkeit bei 3,6 Prozent, dem niedrigsten Wert seit einem halben Jahrhundert.“ Die Kritik seitens der Wirtschaft reißt aber nicht ab. Zu groß sind die Bedenken, dass aus Trumps Wirtschaftsnationalismus eine autoritäre Kommandowirtschaft erwachsen könnte.

Geradezu exemplarisch für diese Bedenken ist Trumps aggressive Nutzung des Abschnitts 232 des US-Handelsgesetzes von 1962. Die Bestimmung erlaubt dem US-Präsidenten, nach Absprache mit dem Handelsministerium Strafzölle auf bestimmte Importe zu verhängen, sofern diese die „nationale Sicherheit“ bedrohen. Für das US-Handelsministerium zählen bei der Überprüfung nur ökonomische Bedrohungen. Simon Lester, Vizedirektor des Cato's Herbert A. Stiefel Center for Trade Policy Studies, weist darauf hin, dass der Paragraf 232 bis dato nur 31-mal in Betracht gekommen ist. Die ersten 24 Fälle gab es von 1963 bis 1994. Außer 1999 und 2001 mit je einem weiteren Fall passierte 16 Jahre lang nichts. Erst mit Trump schnellten die Zahlen in die Höhe. Seit 2017 berief der Präsident sich bereits fünfmal auf diese Bestimmung. Sowohl der Kongress als auch private Wirtschaftsinteressenverbände liefen Sturm gegen diese Praxis.

Freihandel à la carte

Wer glaubt, dass mit Trump der internationale Freihandel zu Grabe getragen wird, macht es sich zu einfach. Der Freihandel stand schon immer im Spannungsfeld zwischen machtpolitischer Konkurrenz und Wirtschaftskooperation. Peter Chase, Senior Fellow beim German Marshall Fund, räumte einmal gegenüber der Deutschen Welle mit diesem Irrglauben auf: „Frag nicht, ob der freie Handel tot ist! Frag lieber, ob er je gelebt hat!“ Historische Beispiele gibt es zuhauf. So haben die Vereinigten Staaten wie auch Großbritannien im Lauf der Geschichte immer wieder in unterschiedlicher Intensität protektionistisch gehandelt. Diese Tatsache verschwindet allmählich aus dem öffentlichen Bewusstsein. Erst nach Trumps scharfen Attacken gegen Deutschland rückten die neomerkantilistischen Praktiken anderer Staaten ins Licht der breiten Öffentlichkeit. Deutschlands exzessive Exportüberschüsse gepaart mit einem großen Billiglohnsektor verhindern das Wirtschaftswachstum anderer Staaten, so der Tenor. Zu den Dauerkritikern gehören auch der IWF, die Weltbank und die EU-Kommission. Bis heute hat sich daran nichts geändert. Deutschland erzielte 2018 erneut den weltgrößten Leistungsbilanzüberschuss mit umgerechnet 260 Mrd. Euro.

Szenenwechsel: Afrika im Licht der Migrationskrise. Auf der Suche nach möglichen Fluchtursachen „entdeckt“ man die protektionistische Handelspolitik der EU gegenüber Afrika. Die EU hatte bisher kein Problem, afrikanische Märkte mit subventionierten Produkten zu überfluten, während man den eigenen Markt abschottete. Der Wirtschaftsethiker Nils Oermann und der Rechtshistoriker Hans-Jürgen Wolff fassten es einmal so zusammen: „Es gibt zu viele, die den Freihandel loben und ihn zum eigenen Vorteil verhindern, die eine ,regelbasierte, internationale Ordnung‘ preisen, darin aber bloß Trittbrettfahrer sein wollen und die Instandhaltungskosten anderen überlassen.“

Oliver Cyrus ist freier Journalist und Publizist. Er schreibt regelmäßig zu Themen der internationalen Politik. Er betreibt den Blog Inside Parliament.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.