Dieser Brahms zerreißt uns das Herz

Grigory Sokolov in Salzburg.
Grigory Sokolov in Salzburg. (c) ph marco borrelli
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Standing Ovations für Grigory Sokolov, der die kleine Form auf meisterliche Weise zur Hauptsache erklärt.

Grigory Sokolovs Auftritte kommen pianistischen Hochämtern gleich: Klavierliebhaber aus aller Welt streichen sich seine Rezitals als Feiertage im Kalender an. Wer deshalb zum Beispiel regelmäßig im Sommer zu den Salzburger Festspielen pilgert oder im Dezember ins Wiener Konzerthaus, der erlebt Sokolov jedes Mal mit einem anderen Programm. Hört man ihn jedoch binnen Jahresfrist dort wie da, kann man erkennen, wie dieser enzyklopädisch denkende Meister ein Modulsystem anwendet: Denn in der Regel tauscht er im Sechsmonatsrhythmus eine Programmhälfte aus. Die verbliebene kann weiterreifen, die neue stellt zudem frische Bezüge her. Aus dem Konzerthaus schon bekannt waren also diesmal Beethovens Klaviersonate op. 2/3 und die Bagatellen op. 119.

Und auch wieder nicht. Denn Sokolov ist ein Meister der Differenzierungskunst, der veränderten Blickwinkel, der unterschiedlichen Schattierungen. Das beginnt bei Wiederholungszeichen im Notentext: Wo andere dieselbe Lesart zweimal ablaufen lassen, kehrt er oft völlig andere Details hervor. Gerade in den Bagatellen setzt sich diese Entdeckerfreude fort, in diesen belächelten oder gar geschmähten angeblichen Kleinigkeiten.

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