„Ernst nehmen, befähigen, ermutigen“

 Die US-amerikanische Grundschullehrerin Kyle Schwartz hat jetzt ein Buch darüber geschrieben, wie man Kinder dazu ermutigen und befähigen kann, sich für jene Veränderungen einzusetzen, die ihnen am Herzen liegen.
Die US-amerikanische Grundschullehrerin Kyle Schwartz hat jetzt ein Buch darüber geschrieben, wie man Kinder dazu ermutigen und befähigen kann, sich für jene Veränderungen einzusetzen, die ihnen am Herzen liegen.(c) imago images / Xinhua (Wang Ying via www.imago-images.de)
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In ihrem Buch „I Wish for Change“ erklärt Kyle Schwartz, wie man Kindern dabei helfen kann, ihre Anliegen zu vertreten – und die Welt zu verändern.

Greta Thunberg tut es in Europa, die überlebenden Schüler des Parkland-Massakers in den USA: Junge Menschen sorgen in einem Alter und Ausmaß für Veränderung und Bewegung, wie es früher kaum denkbar gewesen wäre. Was natürlich durch die sozialen Medien und der damit zu erzielenden Reichweite und Vernetzung heute deutlich leichter zu erreichen ist als einst – aber auch gelernt und gefördert sein will. Die US-amerikanische Grundschullehrerin Kyle Schwartz hat jetzt ein Buch darüber geschrieben, wie man Kinder dazu ermutigen und befähigen kann, sich für jene Veränderungen einzusetzen, die ihnen am Herzen liegen.

Motiviert hat die 32-Jährige dazu unter anderem Milo Cress, der sich mit gerade einmal neun Jahren dafür engagiert hat, jahrzehntealte Unsitten in seinem Heimatort zu verändern. Er hatte sich darüber geärgert, dass in dem Café seines Grätzels allen Gästen unaufgefordert ein Plastikstrohhalm im Getränk serviert wurde, was zu völlig unnötigem Abfall führte. Nachdem er zunächst im Kreis seiner Freunde darüber gesprochen hatte, überzeugte der Drittklässler bald darauf den Wirt davon, seine Gäste einfach vorher zu fragen, ob sie diesen Trinkhalm überhaupt wollen. Und gründete kurz darauf seine Initiative Be Straw Free – sei strohhalmfrei –, in der er andere junge Menschen dazu aufrief, nach der Devise „Each One Reach One“ zu versuchen, nur ein einziges Restaurant davon zu überzeugen, nicht einfach gedankenlos Plastikhalme auszuteilen.

Neun Jahre sind seit Milos erster Anfrage an Leunig's Bistro in Burlington im Bundesstaat Vermont vergangen, und seitdem haben sich Tausende Restaurants nicht nur in den USA der Initiative angeschlossen. Was den heute 18-Jährigen zu einem perfekten Beispiel für das macht, was Schwartz in ihrem Buch „I Wish for Change“ als die Macht des Empowerments beschreibt, die es in jungen Menschen zu fördern gelte. „Dabei geht es nicht um eine dominante Macht, sondern darum, den Kindern zu vermitteln, wie mächtig die Zusammenarbeit mit anderen sein kann, und wie viel sich auch durch kleine Schritte erreichen lässt“, erklärt die Lehrerin und Autorin im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“.


Gut gemeint, aber falsch. Denn die häufig von Eltern und Lehrern – durchaus gut gemeinte – Devise „Go Big Or Go Home“ sorge oft für das Gegenteil: „Es geht vor allem darum, erreichbare Ziele zu setzen und die nötigen Fähigkeiten mit den Kindern zu entwickeln“, betont die Pädagogin. Sätze wie „Wenn dich der Klimawandel so bedrückt, dann stoppe ihn halt“ seien in den meisten Fällen genauso wenig förderlich wie das gegenteilige „Nun reg Dich mal nicht so auf“.

„Die Kinder haben heute stärker denn je das Gefühl, jede Menge Probleme lösen zu müssen, die sie nicht verursacht haben“, sagt Schwartz. „Also sollten wir uns überlegen, wie wir ihnen dabei helfen können, die Scherben aufzusammeln, und ihre Sorgen und Anliegen ernst nehmen. Auch wenn viele Erwachsene sich dabei unwohl fühlen.“

Welche Erziehungs- und Kommunikationsstrategien dabei hilfreich sind, erklärt sie Schritt für Schritt in ihrem Buch, mit konkreten Beispielen für hilfreiche Gesprächsstarter am Ende jedes Kapitels. Dazu gehören Fragen wie „Was macht Dich wütend? Und was kannst Du dagegen tun?“ genauso wie „Was glaubst Du, welche ganz besonderen Fähigkeiten Du hast, um etwas in der Welt zu verändern?“ – oder auch „Warum glaubst Du, dass manche Menschen aufgeben und andere nicht lockerlassen?“ sowie „In welchen Bereichen Deines Lebens hättest Du gern die Möglichkeit, mehr zu entscheiden?“.

Ein „Lagerfeuer, an dem alle Kumbaya singen“ sei ihr Klassenzimmer aber genauso wenig wie die Welt außerhalb, betont die Pädagogin, die in einem sozial schwierigen Bezirk in Denver, Colorado, unterrichtet, in dem ihre Schüler regelmäßig mit Problemen von Gewalt in der Familie über materielle Sorgen bis zur Deportation von Familienmitgliedern konfrontiert sind. Weshalb es ihr neben dem Thema Empowerment und dem Anerkennen berechtigter Anliegen der Schüler auch darum geht, den angehenden Weltveränderern aufzuzeigen, wo ihre eigenen Anteile und Verantwortlichkeiten im Guten wie im Schlechten liegen. Denn nur wer verstehe, welchen Anteil er oder sie selbst in Konflikten mit anderen Schülern oder Misserfolgen bei der letzten Schularbeit hat, könne auch verstehen, was er oder sie zum Gelingen oder überhaupt zum Beginn anderer Projekte beitragen könne.

Kleine Projekte, große Wirkung. Die durchaus auch vermeintlich klein erscheinen können, um dann eine große Wirkung zu erzielen. Wie beispielsweise die sogenannte Buddy Bench – eine grüne Bank, die heute zwischen dem Klettergerüst und dem Baseballfeld der Doull-Grundschule in Denver steht, an der Schwartz unterrichtet. Initiiert hatte sie einst Christian Buck, der einen Weg finden wollte, „Einsamkeit auf dem Schulhof zu vermeiden und Freundschaften zu fördern“. Also hatte er seiner Direktion vorgeschlagen, doch eine Bank mit der Aufschrift „Buddy Bench“ aufzustellen, auf die sich jeder setzen könne, der Gesellschaft suche.

Und war damit glücklicherweise auf offene Ohren gestoßen. Heute ist die Bank aus der Schule nicht mehr wegzudenken, jede Menge Schüler haben auf ihr neue Freundschaften geschlossen oder Spielkameraden gefunden – und das ist einem Achtjährigen zu verdanken, der eine ganz simple Idee gehabt hat. Und den Mut und das Vertrauen, sich für seine Idee einzusetzen. „Wenn ein junger Mensch den Wunsch hat, etwas zu verändern, können wir einfach fragen ,Warum nicht Du und warum nicht jetzt?‘“, bringt es Schwartz am Ende ihres Buches auf den Punkt.

„Denn wenn wir das tun, werden Kinder sich Veränderungen nicht mehr wünschen müssen. Sondern sie herbeiführen.“

Buch

Die US-amerikanische Pädagogin Kyle Schwartz hat mit ihrem ersten Buch „I Wish My Teacher Knew“ über das Verhältnis von Lehrern und Schülern einen Bestseller gelandet. Ihr neues Buch „I Wish for Change“ handelt vom Aktivismus von Kindern und Jugendlichen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2019)

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