Seenschreiber

Die wirklich sonderbare Helligkeit der Dunkelheit

Autorin Barbara Zeman am Weißensee in Kärnten.
Autorin Barbara Zeman am Weißensee in Kärnten. karlheinzfessl.com
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Ein Wasserbär wurde gesehen, und rote Forellen, so geballt, als simulierten sie den Glanz eines weit entfernten Planeten. Die Seerosen sind erschrocken, näher ans Ufer gerutscht, festgehalten nur von ihren Wurzeln. Aber keine Panik, alles in Ordnung, im Weißensee lebt seit Kurzem die stärkste Frau der Welt.

An manchen Tagen, da liegen gelockte Rindenstreifen in ufernahem Wasser, als hätte sich eine Riesin die Haare gekürzt, um ein paar Meter gleich, über den spiegelnden See gebeugt. Und dort, wo er wegen seiner Tiefe an dunkelgrüner Farbe gewinnt, sieht man Äste unter der glasklaren Wasseroberfläche versunken, die aussehen wie große Gabeln. Am Westufer Mückenschwärme hektisch in der Dämmerung, in denen die Einheimischen winzige Gesichter erblicken, mit finstren Nasenlöchern, und dort, wo die Augen sitzen, nichts als wunderschönes, furchterregendes Geschwirre. Sobald sie versuchen, dem Blick zu entgegnen, ziehen sich die seltsamen Gesichtchen, plötzlich schüchtern, schlagartig wieder in den See zurück.

Ihre Lippen seien schwarz, beweglich, das haben die vier Burschen, die dies sahen, mit Nachdruck im Rathaus festhalten lassen. Weiter, so steht in den Berichten zu den Beobachtungen einer alten Frau, liegt am Ufer seit ungefähr zwei Jahren die weiße Seekreide in weitaus größeren Mengen als in den gewohnten, und feiner ist sie und duftet, jemand scheine unter Wasser große Mengen edlen Puders zu produzieren oder Mehl, ähnlich dem in der berühmten Pariser Konditorei. Die Fischer wiederum mutmaßen, die süße Kreide, die essen die Fische, denn sie sind prächtig und werden so schmackhaft riesengroß wie nie zuvor. Nur, das vergessen sie der Vollständigkeit halber nicht zu erwähnen, schwieriger zu fangen sind sie auch, es scheint, die Fische sind tiefer gestiegen, in dunkelste Höhlungen, verwinkeltste Grotten, wohin es sie wegen Mangels an Licht sonst kaum verschlägt. Und sie folgern: Zweifellos hat die Anwesenheit eines Lebewesens die Helligkeit der Dunkelheit verstärkt, dort unten, hinter vielen Schichten tiefsten Wassers, am Seeengrund, wo die Wurzeln der steilsten Berge aneinanderstoßen. Nur die Steine bleiben ruhig, so vermerkt der Bürgermeister am Ende des Berichts, sie liegen da wie immer schon.

Aber einmal, in aller Frühe, in schwacher Morgendämmerung, ist dem ersten Sohn des reichsten Bauern Techendorfs eine Frau am See aufgefallen. Sie watet langsam ins Wasser, und nach ein paar Zügen, überraschend rasch, ist sie verschwunden. Er habe sie zum Tanzfest einladen wollen, aber sie sei nimmermehr aufgetaucht.

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