Die gefragtesten zeitgenössischen Künstler

„Narcissus Garden“ von Yayoi Kusama war im Mai auf der Frieze New York zu sehen.
„Narcissus Garden“ von Yayoi Kusama war im Mai auf der Frieze New York zu sehen.APA/AFP/TIMOTHY A. CLARY
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Die japanische Künstlerin Yayoi Kusama hat auf Messen im ersten Halbjahr 2019 die meiste Nachfrage generiert. Die Stars auf Auktionen sind nicht immer dieselben wie im Handel. Hier sind die überraschendsten Lieblinge.

Die Medienstars der zeitgenössischen Kunst im ersten Halbjahr waren Jeff Koons und Street-Art-Künstler Kaws. Das liegt an den spektakulären Rekordpreisen, die beide bei Auktionen im Frühjahr erzielten. Doch nicht immer sind die Künstler, die bei Auktionen besondere Aufmerksamkeit bekommen, dieselben wie im Handel. Das hat sich die Kunstinformationsplattform Artsy einmal näher angesehen und eine Studie gemacht. Dazu wurden 45 Kunstmessen mit 35.000 Werken von mehr als 1800 Galerien im Zeitraum 1. Jänner bis 30. Juni durchleuchtet.

Das überraschende Ergebnis der Daten ist, dass auf den Messen die Arbeiten der japanischen Künstlerin Yayoi Kusama die größte Nachfrage generierten. Die für ihre Spiegelkabinette und gepunkteten Kürbisskulpturen bekannte Künstlerin hat nicht nur hippe junge Künstler wie eben Kaws oder Nathaniel Mary Quinn und Derrick Adams ausgestochen, sondern auch „Bluechips“ wie Andy Warhol und Gerhard Richter. Abgesehen von Kusama waren die 30 begehrtesten Künstler übrigens alle männlich.

An zweiter Stelle der Beliebtheitsskala liegt dann schon Kaws, gefolgt von Quinn. Letzterer hat enorm an Popularität gewonnen, nachdem er von Galerienschwergewicht Gagosian unter Vertrag genommen wurde. Ähnliche Erfahrungen machten auch Jennifer Guidi und Katharina Grosse, nachdem sie zu Gagosian gewechselt waren.

Der amerikanische Konzeptkünstler, Maler und Kunsttheoretiker Mel Bochner ist zwar schon länger etabliert, dennoch überrascht, wie hoch die Nachfrage nach seinen Werken ist. Er liegt an siebenter Stelle. Auf Auktionen taucht er selten auf. Vier Soloshows in diesem Jahr mögen hier ausschlaggebend gewesen sein. Zudem war seine Arbeit „Everybody is Full of Shit“ auf der Art Basel eines der beliebtesten Instagram-Motive.

Figurative Malerei. Unter den jungen und aufstrebenden Künstlern steht Alex Gardner besonders hoch im Kurs. Der Maler ist bekannt für seine schwarzen Figuren, die er in ein surrealistisches Umfeld setzt. Zuletzt widmete ihm die Galeristin Kathy Grayson von The Hole auf der Armory Show im März in New York eine Einzelpräsentation. Die Werke, die zwischen 15.000 und 28.000 Dollar kosteten, fanden alle einen Abnehmer. Gardner befriedigt mit seinen Arbeiten den Appetit des Marktes auf figurative Malerei. Artsy zufolge sei insbesondere figurative Malerei afrikanischer Künstler begehrt. So stehen auf der Liste der Top 30 Emerging Artists Künstler wie Ajarb Bernard Ategwa aus Kamerun, Thenjiwe Niki Nkosi aus Südafrika und Ndidi Emefiele aus Nigeria.

Neben figurativer Malerei ist unter den aufstrebenden Künstlern auch Street Art zu finden. Allen voran der Graffitikünstler Revok erfreut sich starker Nachfrage. Zu breiterer Bekanntheit gelangte Jason „Revok“ Williams aufgrund seiner Urheberrechtsklage gegen den Modekonzern H&M im vergangenen Herbst. H&M hatte für seine neue Sportswear-Kollektion ein Fotoshooting und ein Video vor Revok-Wandbildern auf einem Sportplatz im New Yorker Stadtteil Williamsburg machen lassen, die dann Teil einer Onlinekampagne waren. H&M lehnte Schadenersatzzahlungen mit dem Argument ab, dass die Graffiti an der Mauer ohne Einwilligung der Stadt New York entstanden seien. Die Street-Art-Community hat sich hingegen mit Williams solidarisiert und in sozialen Medien zu einem H&M-Boykott aufgerufen. Seiner Popularität auf dem Kunstmarkt scheint die Geschichte jedenfalls geholfen zu haben.

Fotografie. Im Artsy-Ranking der beliebtesten Künstler findet sich Fotografie recht weit vorn. André Kertész, Vivian Maier und Gordon Parks sind unter den Top-Performern. Der Dokumentarfilm „Finding Vivian Maier“, der 2013 herauskam, verschaffte der Fotografin mehr Aufmerksamkeit. Es folgten zahlreiche Ausstellungen in Museen und Galerien.

Der amerikanische Fotograf und Filmregisseur Gordon Parks wiederum ist zwar seit einem halben Jahrhundert einer der führenden Künstler in der Fotografie, doch zuletzt hat sich die Gordon Parks Foundation verstärkt darum bemüht, sein Werk stärker zu vermarkten. Vergangenes Jahr legte die Foundation ein umfangreiches Buch seiner Fotoarbeiten der 1940er-Jahre auf. Parks gilt als erster schwarzer Fotograf und Filmregisseur, der landesweite Beachtung erhielt. 1941 begann er, für die Farm Security Administration (FSA) zu arbeiten und machte sozialdokumentarische Fotoreportagen über das Alltagsleben der Afroamerikaner in den Städten. 1942 entstand seine berühmteste Aufnahme: American Gothic. Es ist ein Porträt der Putzfrau Ella Watson in der FSA, die erschöpft mit einem Wischmopp in der einen Hand und einem Besen in der anderen vor einer amerikanischen Flagge steht. Dieses Bild war dem berühmten Gemälde Grant Woods nachempfunden. Parks war auch der erste schwarze Filmregisseur, der Erfolg hatte. Mit dem Detektiv John Shaft schuf er 1971 den ersten afroamerikanischen Kinohelden.

Trotz aller Bemühungen, Künstlerinnen endlich mehr Präsenz zu geben, zeigen die Artsy-Daten, dass sie auf der Nachfrageseite immer noch unter ferner liefen rangieren. Wie schon eingangs erwähnt, befindet sich in der Gesamtwertung der Top 30 nur Kusama, während unter den 30 beliebtesten Bluechip-Künstlern zumindest noch Tracey Emin und Jenny Holzer vertreten sind. Etwas besser sieht es bei den Emerging Artists aus, wo immerhin neun Künstlerinnen unter den Top 30 sind. Von einer Genderparität sind wir aber auch in dieser Kategorie noch weit entfernt.

Der Kunstmarkt, wie er auf Messen präsentiert wird, ist immer noch sehr konservativ. Das belegt die Erhebung von Artsy. So sind Gemälde immer noch das beliebteste Medium auf Messen und zwar sowohl beim Angebot (31 Prozent) als auch bei der Nachfrage (44 Prozent). Dahinter folgt Skulptur und dann Fotografie. Für schwierigere Formate wie Videokunst oder Installationen haben sich nur knapp ein Prozent der Käufer interessiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2019)

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