Teheran feiert die Aktion der Revolutionären Garden als Schlag gegen Treibstoffschmuggler. Der Schmuggel von iranischem Benzin ist tatsächlich seit Jahren ein großes Problem für Teheran.
Tunis/Teheran. Die siebenköpfige Crew ist verhaftet, die Ladung von 700.000 Litern Treibstoff im Hafen von Bushehr festgezurrt. Triumphierend gaben die Revolutionären Garden am gestrigen Sonntag bekannt, sie hätten im Persischen Golf den nächsten ausländischen Tanker in ihre Gewalt gebracht. Mit dieser dritten Kommandoaktion, diesmal gegen ein relativ kleines Schiff, dreht sich die Spirale der gegenseitigen Provokationen wieder ein Stück weiter. Erst vergangene Woche haben die USA den iranischen Außenminister, Mohammed Javad Zarif, auf ihre Sanktionsliste gesetzt, in der internationalen Diplomatie ein höchst ungewöhnlicher Schritt. Auch die Debatte um eine europäische Mission in der Straße von Hormuz könnte der Zwischenfall neu entfachen.
Über den Besitzer und die Identität des Schiffs machte die iranische Seite bisher wenige Angaben. Sie gab lediglich bekannt, der Tanker habe Schmuggelbenzin für einen ungenannten arabische Golfstaat geladen. Der Öl-Tanker stammt nach offiziellen Angaben aus dem Irak. Das Schiff sei bereits am Mittwoch beschlagnahmt worden, weil es iranisches Öl in andere Staaten schmuggelte, zitierte die amtliche Nachrichtenagentur IRNA am Sonntag eine Erklärung der iranischen Revolutionsgarden.
Bereits vor drei Wochen hatten die Revolutionäre Garden den unter der Flagge Panamas fahrenden Tanker Riah unter dem gleichen Vorwurf festgesetzt. Die Besatzung des einen Tag später gekaperten britischen Tankers Stena Impero dagegen beschuldigt Teheran, ein Fischerboot gerammt zu haben und danach einfach weitergefahren zu sein, ein Vorwurf, den Kapitän und Eigner bestreiten. Ihre Kaperung durch vermummte Einsatzkräfte gilt als Vergeltung für das von den Briten Anfang Juli vor Gibraltar festgesetzte iranische Schiff Grace 1.
Teheran beschwichtigt
Trotz der wachsenden Spannungen erklärte Irans Vize-Armeechef Ahmadreza Pourdastan am Wochenende, die Gefahr eines militärischen Konflikts am Persischen Golf nehme ab, auch wenn dies auf den ersten Blick anders aussehe. „Alle Staaten, die Interessen in der Region haben, sind unter keinen Umständen bereit, eine neue Krise im Nahen Osten loszutreten“, erklärte der 63-jährige Brigadegeneral nach Angaben der Nachrichtenagentur Mehr. Der Persische Golf sei ein Pulverfass, und die Explosion eines ersten Feuerwerkskörpers könne „zu einem riesigen Desaster“ führen. Diese Einschätzung des iranischen Oberkommandos erfolgte wenige Tage nach dem überraschenden Besuch des Chefs der emiratischen Küstenwache, General Mohammed Ali Musleh al-Ahbabi, bei seinen iranischen Kollegen, dem ersten Kontakt seit 2013. Gleichzeitig soll eine Delegation der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) zu politischen Gesprächen in Teheran gewesen sein, eine Initiative, zu der sich Abu Dhabi bisher ausschweigt. Die Emirate bemühen sich offenbar auf mehreren Kanälen, die Spannungen mit der Islamischen Republik zu reduzieren, auch weil im Fall eines Kriegs ihre wertvollen Ölanlagen wohl am stärksten beschädigt würden.
Der Schmuggel von iranischem Benzin wiederum ist seit Jahren ein großes Problem für Teheran. Nach Angaben iranischer Medien verlassen jeden Tag acht Millionen Liter auf dunklen Kanälen das Land. Die Transportrouten führen in die Türkei sowie nach Afghanistan und Pakistan, wo das Benzin erheblich teurer verkauft werden kann. Im Persischen Golf laden iranische Küstenboote den Sprit auf kleinere hochseetüchtige Tanker um, ein lukratives Geschäft, an dem die Revolutionären Garden kräftig mitverdienen. Das jetzt beschlagnahmte Schiff hat eine Kapazität von etwa 5000 Barrel, die Riah von 12.500 Barrel. Dagegen ist die britische Stena Impero mit einer Kapazität von 220.000 Barrel ein Tankschiff mittlerer Größe. Die iranische Grace 1 ist mit zwei Millionen Barrel ein Supertanker.
Verdächtige Funkstille
Zumindest bei der Riah gibt es Indizien, dass die Vorwürfe Teherans zutreffen könnten. Innerhalb des vergangenen Jahrs schaltete das Schiff mehr als zwei Dutzend Mal seinen Transponder ab und hielt absolute Funkstille, während es vor der Küste von Dubai sowie im Golf von Oman offenbar Ladung von anderen Schiffen übernahm. Auch hat sich bisher kein Eigner gemeldet, der die Rückgabe des Tankers fordert. Zu der Staatsangehörigkeit seiner Besatzung gibt es ebenfalls keine Angaben.
Experten des US-Beratungsdiensts Stratfor schließen daher nicht aus, dass die Revolutionären Garden den Konflikt mit den Briten nutzen, um nebenbei vor ihrer Haustür operierende konkurrierende Schmuggelnetzwerke auszuschalten. Dafür spricht auch, dass die Revolutionswächter bereits im April einen Schwarzmarkttanker mit einer Kapazität von 70.000 Barrel in der Straße von Hormuz in ihre Gewalt gebracht haben, damals ohne Reaktion von westlicher Seite.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.08.2019)