Migranten auf der Balkanroute: Angespannte Stimmung in Bihać

Ein Bild von Anfang Juli 2019 aus der Gegend rund um Bihać im Nordosten Bosniens.
Ein Bild von Anfang Juli 2019 aus der Gegend rund um Bihać im Nordosten Bosniens.APA/AFP/ELVIS BARUKCIC
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Der Bürgermeister der bosnischen Grenzstadt von Bihać muss Tausende Migranten beherbergen. Er beklagt "gesetzeswidriges“ Eindringen kroatischer Soldaten in bosnisches Staatsgebiet.

Ganz „geschlossen" ist sie nicht, die Balkanroute. Immer noch bewegen sich Tausende Migranten und Flüchtlinge von der Türkei und Griechenland kommend in Richtung Mitteleuropa - wenn auch deutlich weniger als zum Höhepunkt der sogenannten Flüchtlingskrise im Herbst 2015. Der Bürgermeister der nordwestlichen bosnischen Grenzstadt Bihać, Šuhret Fazlić, wirft Kroatiens Polizei vor, bei der Rückschiebung von Migranten und Flüchtlingen immer wieder tief in bosnisches Staatsgebiet einzudringen. "Ich habe persönlich mit einem dieser Polizisten gesprochen und ihm gesagt, dass dies gesetzeswidrig sei", sagte Fazlić am Wochenende dem bosnischen Online-Portal "klix.ba".

"Er zuckte mit der Achsel und sagte, dass er bloß Befehle ausführe", erklärte der Lokalpolitiker weiter. Menschenrechtsorganisationen und das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR kritisieren, dass kroatische Polizisten Migranten und Asylsuchende, die sie nahe der bosnischen Grenze aufgreifen, misshandeln und gewaltsam nach Bosnien-Herzegowina zurückschieben würden. Die Praxis verstößt nach Ansicht des UNHCR gegen das humanitäre Völkerrecht. Kroatien behauptet wiederum, dass es sich um "Zurückweisungen" handle, die vom EU-Recht gedeckt seien.

Ö1 berichtete im Mittagsjournal am Dienstag von aufgeheizter Stimmung im bosnischen Grenzort. In Bihać sollen bis zu 5000 Migranten festsitzen. Die Stimmung in der Stadt sei nach Berichten über kriminelle Handlungen angespannt. Der Bürgermeister hat ein Lager in einer ehemaligen Mülldeponie errichtet. Die „Presse“ besuchte das Lager vor wenigen Wochen. Die meisten Menschen dort stammen aus Afghanistan und Pakistan – und berichten über rohe Gewalt nicht nur an der kroatischen Grenze. Bisweilen würden Flüchtlinge, die das Lager verlassen, in Kolonnen zurückgetrieben. 

Vereinzelt schon in der Vergangenheit Vorwürfe

Der Vorwurf, dass kroatische Polizisten dabei auch in bosnisches Staatsgebiet eindringen, war bisher nicht in breiterem Umfang bekannt. Fazlić zufolge komme dies aber seit einem Jahr immer wieder vor. Auch am Samstag, als er mit dem deutschen Europaabgeordneten Erik Marquardt (Grüne) das Gebiet besuchte, habe er erneut kroatische Grenzpolizisten auf bosnischem Staatsgebiet getroffen.

In dem Balkanland sitzen derzeit nach Angaben des Innenministeriums in Sarajevo 9000 Flüchtlinge fest. Die meisten von ihnen warten in Lagern der Region Bihać unter teilweise harten Bedingungen auf eine Gelegenheit, um über Kroatien in den Westen zu gelangen. Die klassische Balkanroute, die von Griechenland über Nordmazedonien, Serbien und Ungarn nach Mitteleuropa führt, gilt seit 2016 als weitgehend geschlossen. Seitdem hat sich eine alternative Route über Bosnien, Kroatien und Slowenien etabliert.

(APA/dpa)

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