Digitalisierung

Automatisierung: Alles halb so wild

APA/AFP/BEHROUZ MEHRI
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Ist die Digitalisierung die große Bedrohung, vor der es sich zu fürchten gilt? Aktuell präsentiert sie sich eher als zahmer Jobveränderer denn als böser Jobzersetzer.

Alles wird anders, hat man uns versprochen (gedroht?). Die Künstliche Intelligenz wird uns das Denken abnehmen, der Roboter die manuelle Arbeit – wofür braucht man uns dann noch? Das war vor zwei Jahren. Viel Aufregung und einige Millioneninvestments später stellt sich heraus: So schlimm ist es nicht.

Am Beispiel der Versicherungsbranche: Früher hatte das Produktmanagement eine Idee für ein neues Versicherungsprodukt. Zusammen mit dem Aktuariat errechnete es, ob sie sich rentierte. Wenn ja, warf das Marketing das Produkt auf den Markt, der Außendienst verkaufte es, die IT kümmerte sich um die passenden Systeme dahinter. So weit, so bekannt.

Auch heute beginne alles mit der Produktidee, beschreibt Helvetia Personalchef Bernd Allmer. Die stamme vielleicht aus dem Kopf eines wachsamen Marktbeobachters. Vielleicht aber von einem Data Warehouse Experten, der die Kunst beherrscht, die richtigen Fragen zu stellen und in Millionen von Daten die Antworten zu finden. Schifahrer wollen eine Unfallversicherung nur für ein Wochenende? Selbstständige Heimarbeiter eine, die den Haushalt genauso abdeckt wie einen Arbeitsausfall? Jetzt hätte man gern ein paar Entwickler mehr, die eine schnelle App-Lösung programmieren, oder ein paar Aktuare mehr (die MINT-Krise…), die rasch die Rentabilität ausrechnen – allein, es gibt sie kaum.

Dunkelverarbeitung im Trüben

Es hakt auch bei den Systemen dahinter. „Es läuft noch nicht viel dunkel durch“, formuliert es Allmer und meint, dass die Kundenverträge immer noch ausgedruckt und händisch weiterverarbeitet werden. Digitalisierung hieße, das System verarbeite sie automatisch. Erst dann entstünden die großen Einsparungen. 

So lässt sich das für die 80 Berufsbilder einer Versicherung herunterbrechen. Kundenberater chatten nun auf Wunsch auch über FaceTime – ein neues Tool, das sie erlernen wie so viele zuvor. Weil selbst Millennials sich im Schadensfall von einem Menschen betreuen lassen wollen, sind Chatbots über das Experimentierstadium noch nicht hinaus.

Also alles halb so wild? „Von Disruption ist keine Rede. Auch nicht von Jobs, die verschwinden“, kalmiert Allmer. Im Gegenteil, man wachse über dem Markt und sei froh, die Mehrarbeit durch Automatisierung erleichtern zu können. Nur der IT-Bereich, der würde wachsen – wenn er nur könnte. Allmer: „Nichts ist so schwierig zu rekrutieren wie Softwareentwickler.“

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