Barockoper, komplexer als manche TV-Serie

Da wird scharwenzelt und stolziert: Barockgesten, nachgestellt von Sigrid T'Hooft.
Da wird scharwenzelt und stolziert: Barockgesten, nachgestellt von Sigrid T'Hooft.(c) © Rupert Larl/ Innsbrucker Festwochen/Rupert Larl
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Jubelstürme gab es für Broschis „Merope“ unter Alessandro De Marchi und mit David Hansen in einer aberwitzigen Partie: Barockoper in mehr oder minder exakt historischem Erscheinungsbild.

Fünfeinhalb Stunden: Das wäre gar keine lange Spieldauer für eine Fantasy-Miniserie. Allein die Vorgeschichte von „Merope“ würde genügend Stoff für ein Prequel im Stil von „Game of Thrones“ hergeben. Da hat also der König von Messene einen Fiesling namens Polifonte in der Verwandtschaft, der ihn und alle seine Kinder ermorden lässt, Königin Merope als Anstifterin des Putsches in Verruf bringt und sich damit die Krone angelt. Alle seine Kinder? Nein, Epitide überlebt und wächst in der Fremde heran, wo er sich mit der ätiolischen Königstochter Argia verlobt. Polifonte entführt diese und will sogar Merope zur Ehe zwingen, um seinen Thronanspruch abzusichern. Ja, das ist alles noch Vorgeschichte – und nein, keineswegs die komplette. Insofern ist es kein Wunder, dass dann auch die Oper selbst fünfeinhalb Stunden braucht, um das komplexe Intrigennetz zu entwirren, wobei das Publikum – siehe TV-Serien-Dramaturgie! – beinah den halben dritten Akt lang bei ausdrucksvollen Trauerarien glauben muss, der eigentliche Held, Epitide, wäre tot. Erst dann stellt sich seine fingierte Hinrichtung als letzte List auf dem Weg zum „lieto fine“ heraus . . .

Einst für Farinelli komponiert

Fünfeinhalb Stunden: Das dürfte selbst für Alessandro De Marchi einen Rekord darstellen, seines Zeichens Intendant der Innsbrucker Festwochen für Alte Musik und am Dirigentenpult ein erklärter Vollständigkeitsfanatiker. Diesmal hat er also die 1732 in Turin herausgebrachte „Merope“ von Riccardo Broschi zur Eröffnungspremiere erkoren. Broschi komponierte sie nicht nur, aber auch für seinen Bruder, jenen hochberühmten Kastraten, dessen Künstlernamen auch Leute kennen, die nichts mit Barockoper am Hut haben: Farinelli. In dessen Bravourrolle des Epitide stößt der unerschrockene David Hansen vor allem in manch irrwitzigen Koloraturgirlanden an jene Grenzen, die seinem Countertenor in puncto Geläufigkeit und Tonschönheit gesetzt sind. Und auch die gloriose Vivica Genaux braucht als treuer Ratsherr Trasimede ein Weilchen, bis ihr die kleinen Noten gewohnt sprudelfreudig aus der Kehle dringen. Doch à la longue überzeugen beide mit ihrer Ausdruckskraft, nicht zuletzt im Lyrischen. Das tut auch Anna Bonitatibus als würdevolle Merope, der etwas weniger virtuose Kunststücke abverlangt werden; dafür würzt sie ihren sonoren Gesang gezielt mit einer Prise realistischer Seelenangst.

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