Meist rümpfen nur gut Situierte über zu viele Reisende die Nase. Wollen sie womöglich ihr Privileg zurück?
Es ist oft verräterisch, welche Worte wir wählen. Für Reisegäste haben wir gern militärisches Vokabular parat: einfallende Horden, Vormarsch, Invasion. Oder wir sehen sie als Naturkatastrophen über uns hereinbrechen, als Schwärme oder als Flut, die uns überschwemmt. Entsprechend kämpferisch sind mancherorts die Reaktionen. „Warum heißt es Touristensaison, wenn man sie nicht erschießen kann?“, fragt sich ein Sprayer in Lissabon. In Barcelona schlitzen ihnen Aktivisten die Reifen auf, Menschenketten versperren den Zugang zum Strand. Grassierende Gastfeindschaft wird auch fern der überfüllten Innenstädte mit Verständnis, ja wohlwollend rezipiert.
Das ist doch seltsam. Denn der Tourist ist in aller Regel ein friedliches, freundliches, fröhliches Wesen. Auch wenn sein Programm noch so primitiv ist: Schon indem er verreist, zeigt er Neugier und zumindest Spuren von Respekt vor fremden Kulturen. Dass die Europäer nicht mehr daran denken, sich zu bekämpfen, hat viel damit zu tun, dass sie sich auf Reisen kennengelernt haben, dass sie weltoffen geworden sind.
Vor allem aber gilt es als eminent emanzipatorischer Akt, dass sich Menschen aller Schichten einen Urlaub, eine Auszeit vom Alltag leisten können – was früher das Privileg einer kleinen Oberschicht war. Es sind freilich auch heute die Bessergestellten, die ihre Nasen rümpfen. Das weckt einen Verdacht: Hinter den Klagen steckt ein Ressentiment. Was sie selbst genossen haben, wollen sie anderen nicht gönnen. Die schönsten Plätze hätten sie gern wieder für sich.