Der Spin, der Schwung und die Surfwelle

Die Bewegungen sind ein wenig erstarrt. Aber vielleicht kommt doch noch eine in den Wahlkampf – auch im Sinn inhaltlicher Auseinandersetzung.

Der Klimawandel von heute ist möglicherweise die Pflegedebatte von gestern. Im Wahlkampf 2017 wurde das Thema, das kurz davor der britischen Premierministerin Theresa May eine Enttäuschung bei den Unterhauswahlen beschert hatte, mit dem Beschluss des Endes des Pflegeregresses (vorläufig) weggeschoben. Die ÖVP stimmte zu, der geplante Wahlkampfschlager der SPÖ hatte sich damit erledigt, das Thema kam dann eigentlich nicht mehr vor.

So könnte es nun auch beim Klimawandel sein: Problem erkannt, Thema gebannt. Alle Parteien sind sich einig, es müsse gehandelt werden, die ÖVP forderte gestern sogar ein Solarkraftwerk für jedes Bundesgebäude. Immerhin ist mittlerweile sogar schon die CSU in Deutschland grüner als grün.

Ob der Spin aufgeht, dem Thema, das in erster Linie den Grünen nützt, im Wahlkampf damit ein wenig die Luft herauszunehmen, wird man sehen. Es spricht aber einiges dafür, dass, wenn sich ohnehin alle im Wesentlichen einig sind, das nicht das große, emotionale, wahlentscheidende Wahlkampfthema sein wird.

Ein anderes ist allerdings auch noch nicht in Sicht. Das Migrationsthema ist zwar immer da. Je nach aktuellem Anlass einmal mehr und einmal weniger. Ausgerechnet die Linke hat aus Anlass des Falls Carola Rackete das Thema wieder hochgezogen – wohl zum Schrecken der SPÖ-Wahlkampfverantwortlichen. Gerade für die SPÖ gibt es da traditionell wenig zu gewinnen.

Sonst ist aber kein wirklich kontroversielles Thema absehbar, an dem sich die Spreu vom Weizen trennt, an dem die einzelnen Parteien ihre unterschiedlichen Standpunkte darlegen könnten. Was es bisher gab, waren tagelange Debatten um eine verunglückte Schredderaktion der ÖVP.

Die bisherige Kanzlerpartei steht im Zentrum dieses Wahlkampfs. Die politischen Gegner arbeiten sich an ihr ab, jede kleinste Gelegenheit dazu wird wahrgenommen. Die Volkspartei selbst wiederum versorgt das Volk nahezu täglich mit neuen Vorschlägen – von der Rettung des Bargelds bis zur Surfwelle in Wien. Und Sebastian Kurz hat derweil Land und Leute besser kennengelernt.

Der Schwung von 2017, als man von der Position des Angreifers aus das Feld aufgerollt ist, ist allerdings dahin. Damals wollte man – im Windschatten von Emmanuel Macron – eine Bewegung sein. Mittlerweile pfeift jedoch Macron der Gegenwind ins Gesicht, und auch hierzulande ist die Bewegung erstarrt. Sebastian Kurz geht wieder mit dem nahezu gleichen Team ins Rennen wie schon vor zwei Jahren.

Einen Unterschied zu Macron gibt es jedoch: Kurz hat die Unterstützung, die er 2017 hatte, nie verloren, die Umfragewerte sind bis heute ausgezeichnet, die Protestbewegung blieb in Österreich auf Twitter und die Donnerstagsdemonstrationen beschränkt.

Aber dennoch: Die Zeit der Bewegung scheint vorbei. Die Volkspartei ist heute wieder Partei. Die Listenerstellung verlief unspektakulär, auch der interne Vorzugsstimmenwahlkampf ist einmal auf Eis gelegt. Die Bewegung ist ein Kanzlerwiederwahlverein.

Bei der SPÖ tat sich erwartungsgemäß nichts. Und auch bei den Neos, die ebenfalls einmal als (Bürger-)Bewegung gestartet sind, unterscheiden sich die heutigen Listen nicht groß von jenen von 2013 oder 2017. Die FPÖ nimmt, was sie noch hat. Nur die außerparlamentarischen Grünen machen dieses Mal ein wenig auf Erneuerungsbewegung mit Quereinsteigern.

So werden also wie in guter alter Zeit jene Menschen ins Parlament gewählt werden, die von den Parteien und deren Chefs ausgesucht wurden. Wobei das in der ÖVP immerhin schon ein Fortschritt ist, wenn sie nicht mehr von den Bündeobleuten oder den Landesparteiobleuten ausgesucht werden.

Eine echte Auswahl von Kandidaten mit Ecken und Kanten in einem Wahlkreis, von denen man sich einen aussucht, der dann, wenn er eine Mehrheit erreicht, auch ins Parlament einzieht, gibt es jedoch weiterhin nicht.

E-Mails an:oliver.pink@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2019)

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