Rolf Mützenich, Interimschef der SPD-Bundestagsfraktion, will das Amt längerfristig ausüben und erntet breite Zustimmung. Das Führungsamt der SPD selbst scheint nach dem Rücktritt der glücklosen Andrea Nahles im Juni indes weiter wie eine heiße Kartoffel zu sein.
Die extrem schwächelnden deutschen Sozialdemokraten stehen in zumindest einer wichtigen Führungsfrage vor einer Lösung: Der kommissarische Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Rolf Mützenich, will das Amt auf Dauer übernehmen. „Ich bin bereit, die Aufgabe zu übernehmen", teilte der 60-Jährige am Freitag mit.
Die Ankündigung stieß auf breite Zustimmung aus Bundestagsfraktion und Gesamtpartei.
Mützenich, gebürtiger Kölner, hatte nach dem Rücktritt der glücklosen SPD-Chefin Andrea Nahles (49) Anfang Juni als ihr dienstältester Stellvertreter interimistisch den Vorsitz der SPD-Bundestagsfraktion übernommen. Die Leitung der Partei wird derzeit - ebenfalls vorläufig - von Hessens SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel, der SPD-Regierungschefin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, sowie der SPD-Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Maria Luise Dreyer, gemeinsam ausgeübt.
Mützenich bekannte sich zur Fortsetzung der Koalition mit der Union. "Angesichts wichtiger Projekte wie der Grundrente, einem Pakt für unsere Lebenswelt und für gute Arbeit, die wir Sozialdemokraten in den kommenden Wochen in der Koalition umsetzen wollen", habe er sich entschlossen, die Fraktion als erste über seine Kandidatur zu informieren. Er habe sich die Entscheidung nicht leichtgemacht, weil er um die Verantwortung in dem Amt wisse, heißt es in dem mehreren Nachrichtenagenturen vorliegenden Schreiben.
Außenpolitikexperte mit linker Schlagseite
Die Entscheidung über die Spitze der SPD-Bundestagsfraktion soll am 24. September fallen. Mützenichs Wahl gilt als sicher. Der Außenpolitik-Experte zählt zum linken Parteiflügel. Andere Kandidaten für den Fraktionsvorsitz gibt es bisher nicht.
Der kommissarische SPD-Chef Schäfer-Gümbel erklärte, er freue sich sehr über Mützenichs Kandidatur. "In den vergangenen Wochen hat er souverän und selbstbewusst das Amt in ausgezeichneter Weise gefüllt", schrieb er auf Twitter. "Super Entscheidung, super Typ", urteilte auch SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil.
Sogar von der politischen Konkurrenz kam Unterstützung: "Natürlich sind Personalangelegenheiten die Sache jeder Fraktion selbst", schrieb der außenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Stefan Liebich, auf Twitter. "Aber sollte Rolf Mützenich wirklich zum Vorsitzenden gewählt werden, fände ich das mal eine gute Nachricht."
Im Rennen um eine neue SPD-Spitze gibt es derzeit zwar mehrere Bewerber, darunter aber keine Schwergewichte etwa aus den Reihen der Minister oder Ministerpräsidenten.
SPD laut Umfragen eher schon Kleinpartei
Die SPD sinkt derweil bei Umfragen immer tiefer ab. Im Insa-Meinungstrend für die "Bild"-Zeitung vom Dienstag kam sie nur noch auf 11,5 Prozent; bei der Bundestagswahl 2017 waren es (damals schon katastrophale) 20,5 Prozent gewesen. CDU/CSU legten dagegen einen halben Punkt auf 27,5 Prozent zu, was aber ebenfalls kräftig unter dem Wahlergebnis von 2017 (32,9 %) liegt.
Die Grünen kamen in der Umfrage auf 23,5 Prozent, die extrem rechte AfD auf 15 Prozent, Linke und FDP auf je neun Prozent.
Nächster großer politischer Test in Deutschland sind die Wahlen am 1. September für die Regionalparlamente der östlichen Bundesländer Brandenburg und Sachsen.
(APA/DPA)