Migrationsforschung: Religiöses Leben ohne Fahrplan

Religion verbindet. Eine Muslimin habe mit einer Christin mehr gemeinsam als mit einer Atheistin, sagt Astrid Mattes.
Religion verbindet. Eine Muslimin habe mit einer Christin mehr gemeinsam als mit einer Atheistin, sagt Astrid Mattes.(c) Ines Mahmoud
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Die Vermischung von Religion und Migration in der Politik spiegelt sich längst auch in wissenschaftlichen Studien wider. Das verstellt den Blick auf die Realität.

In Indien wäre es undenkbar, aber in Wien müssen sich gläubige Hindus – immerhin Angehörige der drittgrößten Religionsgruppe weltweit – in einem Keller in der Wiener Lammgasse zum Gebet treffen. Gerade für Kinder von Migrantinnen und Migranten, die die eigene religiöse Praxis nie im Kontext einer Mehrheitsgesellschaft erlebt haben, ist das oft unbefriedigend. Wenig erforscht ist insbesondere, wie Jugendliche, die in ihrer religiösen Identität noch nicht gefestigt sind, damit umgehen.

Der Glaube ist mittlerweile zunehmend zu einem Thema der Migrations- und Integrationspolitik geworden. Und auch in der Wissenschaft würden die beiden Felder zunehmend vermischt, kritisiert das Herausgeberteam des kürzlich erschienenen Sammelbandes „Prayer, Pop and Politics“ (278 Seiten, 47 Euro, V&R) – darunter die Migrationsforscherin Astrid Mattes vom Institut für Stadt- und Regionalforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).

„In den letzten Jahren gab es zum Beispiel einen Boom an Studien zu Musliminnen und Muslimen, in denen nicht reflektiert wird, dass sie eine Religionskategorie und eine Migrationskategorie vermischen. Da fehlt ein Denkschritt“, sagt sie. Diese Untersuchungen reproduzieren damit lediglich politisch vorgegebene Raster. Denn anders als – auch durch solche Studien geschürt – gemeinhin wahrgenommen, verlaufe die trennende Linie nämlich keineswegs zwischen muslimischen und christlichen Gläubigen, sondern zwischen (sehr) gläubigen und nicht gläubigen Menschen, so Mattes.

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