„In den USA ist man nie privat“

Die Zusammenkunft verschiedener Kulturen kann inspirierend sein, auf die Unterschiede vorbereitet zu sein ist hilfreich.
Die Zusammenkunft verschiedener Kulturen kann inspirierend sein, auf die Unterschiede vorbereitet zu sein ist hilfreich. (c) Getty Images (andresr)
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Fremde Länder, fremde Sitten – um Studierenden den Aufenthalt an einer ausländischen Uni zu erleichtern, steht zuvor interkulturelles Training auf dem Stundenplan.

Die Formalitäten sind erledigt, der Countdown für ein Semester an einer ausländischen Uni oder FH läuft. Jetzt geht es um das Feintuning, nämlich die Einstimmung auf die fremde Kultur. Denn Unterschiede gibt es immer – gleichgültig, ob die Gast-Uni in Norwegen, China oder den USA steht. So manches Verhalten, das in der Alpenrepublik selbstverständlich ist, wird dort als befremdlich angesehen. Um den Studierenden einen Fauxpas oder gar eine Blamage zu ersparen, setzen die heimischen Bildungseinrichtungen seit Jahren vor der Abreise der Studierenden auf interkulturelle Trainings.

„Dabei geht es aber nicht darum, für die jeweilige Kultur eine Checkliste mit Dos und Don'ts abzuarbeiten“, betont Kamilla Trubicki, die Leiterin des International Offices auf dem Campus Wels der FH OÖ. Ziel sei vielmehr, die Studierenden für kulturelle Unterschiede zu sensibilisieren. In einem halbtägigen, verpflichtenden Training wird gewohntes Verhalten hinterfragt und die Fähigkeit, unterschiedliche Situationen reflektierend zu betrachten, verstärkt. „Wir setzen dabei stark auf Interaktivität“, sagt Trubicki.

Sensibilisieren, nicht imitieren

Auch die FH Joanneum bereitet ihre Studierenden auf das glatte Parkett der ausländischen Unis vor. Und zwar im Rahmen eines dreiteiligen Begleitseminars. Ziel ist auch hier die Sensibilisierung der Studierenden für die fremde Kultur, aber auch für ihr eigenes Auftreten. „Es geht nicht darum, dass sich ein Österreicher wie ein Chinese benimmt“, sagt Brigitte Hernády, Leiterin des Internationalen Zentrums.

In einem eintägigen Workshop vor Antritt des Auslandsaufenthalts sollen Studenten und Praktikanten erkennen, wie sie auf andere wirken und wie ihr Verhalten möglicherweise verstanden werden kann. „Sie werden spielerisch darauf vorbereitet, dass es kulturelle Unterschiede gibt, die Probleme verursachen können. Beispielsweise das Thema körperliche Nähe und Distanz. Und wie man an die Themen herangeht, damit sich alle gleichberechtigt fühlen“, sagt Hernády.

Während des Auslandsaufenthalts steht begleitendes Cultural Learning auf dem Programm. Dabei setzen sich die Studierenden mit einschlägigen Fragestellungen auseinander, um das Bewusstsein für Themen wie Europa, Kultur und Integration zu stärken. „Dafür müssen sie zum Beispiel drei Personen, die ebenfalls aus einem anderen Land kommen und an derselben Gast-Uni studieren oder Arbeitskollegen sind, befragen, was sie unter der EU verstehen“, sagt Hernády. Oder sie haben eine Situation zu beschreiben, in der es aufgrund von kulturellen Unterschieden zu Irritationen kam. Ein Reflexionsworkshop nach der Rückkehr dient der Präsentation der Erlebnisse sowie dem Austausch in der Gruppe.

In den Studiengängen Management Internationaler Geschäftsprozesse oder Internationales Management an der FH Burgenland wird dem interkulturellen Know-how noch mehr Bedeutung eingeräumt. „Bei diesen Studien ist es in das Curriculum integriert“, sagt Hernády.

Großgeschrieben wird interkulturelles Training auch an der WU Wien, die dieses seit den 1990er-Jahren anbietet. „Jeder, der ein Auslandssemester absolvieren will, ist eingeladen, an einem solchen Training teilzunehmen“, sagt Lukas Hefner, Leiter des Zentrums für Auslandsstudien. Gemeinsamkeiten zwischen der österreichischen Kultur und der Gastkultur werden ebenso erarbeitet wie Unterschiede, die im Lauf des Auslandsaufenthalts relevant sein könnten. „Die interkulturellen Trainings werden für verschiedene Regionen mit spezifisch abgestimmten Inhalten angeboten“, sagt Hefner.

USA: Strengere Campusregeln

Neben dem Umgang mit Symbolen werden dabei auch Geschlechterrollen, Nähe und Distanz sowie diverse andere Themen bearbeitet. „Beispielsweise geht es bei der Vorbereitung für ein Semester in Nordamerika um den Umgang mit dem Thema Alkohol oder um die Verhaltensregeln auf einem Uni-Campus. Im Unterschied zu Österreich ist man bei einem Studium in den USA nie privat“, sagt Hefner.

Parallel zu den Workshops und Seminaren setzen die heimischen Bildungseinrichtungen auf persönlichen Kontakt. So werden etwa an der FH Burgenland Studierende, die ins Ausland gehen, noch in Österreich mit Gaststudenten aus dem jeweiligen Zielland oder mit Kollegen, die dort bereits ein Auslandssemester absolviert haben, vernetzt. Sich mit der Kultur des Gastlands auseinanderzusetzen sei ein Zeichen des Respekts, sagt Hefner. „Und wir können sicher sein, dass die Studierenden gute Botschafter der WU und Österreichs sind.“

AUF EINEN BLICK

Ein Auslandsaufenthalt ist immer auch eine Begegnung mit einer fremden Kultur, was die Gefahr von Irritationen und Missverständnissen birgt. Die heimischen Hochschulen bereiten ihre Studierenden in verschiedenster Weise darauf vor. Neben Workshops, die einschlägige Achtsamkeit schulen, und länderspezifischen Infoveranstaltungen werden vorab persönliche Kontakte mit Rückkehrern und Gaststudenten vermittelt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.08.2019)

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