Once upon a Time . . . in Hollywood

Tarantinos schräge Traumfabrik

(c) Sony Pictures
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Quentin Tarantinos neunter Film, „Once upon a Time . . . in Hollywood" startet in Österreich: Ein satirisch-nostalgischer Streifzug durch eine Filmindustrie am Scheideweg.

Überraschend ist nur, dass er sich so lang Zeit damit gelassen hat: Nach 30 Jahren im Showgeschäft hat Quentin Tarantino, Hollywoods prominentester Filmnerd, endlich einen Film über die Filmindustrie gedreht. Vielleicht wollte sich der notorische Perfektionist, der seine Karriere mit Vorliebe als Gesamtkunstwerk betrachtet, erst seines Platzes im Kinopantheon sicher sein. Inzwischen ist das Präfix „Kult“ bei dem 56-jährigen Regisseur in Stein gemeißelt, das einstige Enfant terrible zum Elder Statesman avanciert. Genug des Leumunds, um das eigene Nest ins Visier zu nehmen.

Cannes-Premiere war im Mai, am 15. August schlägt auch hierzulande Märchenstunde: „Once upon a Time . . . in Hollywood“. Nach der hitzigen Nazi-Jagd von „Inglourious Basterds“, dem Sklaverei-Rachefeldzug „Django Unchained“ und dem Westernkammerthriller „The Hateful Eight“ schaltet der Genre-Enthusiast einen Gang zurück – und es tut ihm gut. Seit dem nach wie vor unterschätzten „Jackie Brown“ war kein Tarantino-Film so entspannt, so nachdenklich, man möchte fast sagen: so erwachsen. Im Grunde handelt es sich um ein „Hangout Movie“, eine Gattungsbezeichnung, zu deren Prägung Tarantino selbst beigetragen hat. Gemeint sind Filme, in denen Plot und Action nebensächlich sind und deren Reiz primär darin besteht, ein Weilchen mit den Hauptfiguren abzuhängen.

Im Fall von „Once upon a Time . . .“ sind dies zwei Spezis wie Pech und Schwefel, jeder von ihnen Sinnbild einer Facette der Traumfabrik anno 1969. Da wäre Rick Dalton, ein stotternder TV-Star auf dem absteigenden Ast (amüsant: Leonardo DiCaprio). Sein Cadillac quillt über vor Tschickstummeln, fahren darf er ihn nicht: alkoholbedingter Führerscheinentzug. Einst gab er den Revolverhelden in schwarz-weißen Fernsehserien. Jetzt will man ihn nur als Bösewicht. Das führe direkt ins Aus, meint ein verschmitzter Produzent (kurzes Vergnügen: Al Pacino). Es sei denn, Dalton ginge nach Italien. Doch wer mag schon Spaghettiwestern?

Sancho Panza des Duos: Stuntman Cliff Booth (Brad Pitt), Prototyp einer oft übersehenen Hollywood-Arbeiterklasse. Pragmatisch, genügsam, robust, mit den Koteletten und gegerbten Gesichtszügen eines Clint Eastwood.

Schatten des Lichtspiels. Während sich Dalton in seiner Villa in den Schlaf trinkt, biegt Booth in ein Autokino ein. Um einen Film zu sehen? Nein: Hinter der Leinwand, im Schatten des Lichtspiels, steht sein Wohnwagen, wartet Hund Randy. Im Unterschied zu prahlerischen Promis wie Bruce Lee (den „Once upon a Time . . .“ liebevoll auf die Schippe nimmt) hat Booth im Krieg realer Gefahr getrotzt – und seinen Körper Stuntstrapazen ausgesetzt.

Knappe drei Stunden kurvt man mit diesem ungleichen Gespann durch die sonnengetränkten, plakatgesäumten Straßen von Los Angeles, folgt ihren Bemühungen, mit der Zeit zu gehen, driftet in Filmdrehs und hinter Kulissen. Tarantino porträtiert ein Hollywood im Wandel. Kunstwelt und Wirklichkeit fließen ineinander: Der Sunset Boulevard wird von Hippies infiltriert, irgendwo geistert Charles Manson herum, und Dalton soll für seine nächste Rolle lange Haare tragen. Um einem Zeitgeist Genüge zu tun, den auch der Soundtrack widerspiegelt. Die Ideologie der Sixties erscheint in der satirischen, aber im Kern nostalgischen Vision des Films als verbotene Frucht, die zum Sündenfall führt: Dreimal wird Booth von einer kecken Tochter der Manson-Familie (Margaret Qualley) in Versuchung geführt.

Oder geht es Tarantino um die Gegenwart, um seinen eigenen Platz darin? Dalton (der wie sein künstlerischer Urheber aus dem Mittleren Westen der USA stammt) klagt, seine besten Tage hinter sich zu haben. Getröstet wird er von einer frühreifen, selbstbewussten, etwas streberhaften Kinderdarstellerin (Julia Butters), die nächste Frauengeneration in spe. Neben ihr wirkt der Narziss wie ein Jammerlappen. Trotzdem gelten ihm die Sympathien. Daran ändert auch Margot Robbie nichts, die Sharon Tate in einer Handvoll Szenen als lebenslustige Lichtgestalt, glückliche Mutter und Unschuldssymbol verkörpern darf. Ein bisserl ist sie auch Fetischobjekt, im Gegenzug prangt Brad Pitts alternder Waschbrettbauch.

Und ist der verachtungsgetränkte Handlungsstrang, in dem sich verblendete Manson-Jünger auf Bluttaten gegen Entertainmentgrößen einstimmen („Let's kill the people who taught us to kill!“), vielleicht ein Seitenhieb auf die zeitgenössische Empörungskultur? Angesichts Tarantinos langjähriger Nähe zu Harvey Weinstein, seiner strittigen Kommentare zur Causa Polanski (der hier, gespielt von Rafal Zawierucha, bloß am Rande durchs Bild huscht) und Uma Thurmans Fahrlässigkeitsvorwürfen gegen den Regisseur ein etwas befremdlicher Subtext. Wie dem auch sei: „Dreckigen Hippies“ (O-Ton Dalton) wird hier kaum Menschlichkeit gewährt.

Achtung, Spoiler: Wie viele Filme seines Schöpfers steuert auch „Once upon a Time . . .“ auf eine groteske Gewaltexplosion zu. Sie ist wohl kathartisch gemeint, hat aber Widerhaken – wie die unansehnliche Kehrseite des Hollywood-Schriftzugs. Es ist diese Janusköpfigkeit, die den jüngsten Streich Tarantinos – ob bewusst oder nicht – zu einem seiner interessantesten macht. Seit einigen Jahren spielt er laut mit dem Gedanken, den Regiemantel an den Nagel zu hängen. Würde er es jetzt tun, wäre es ein würdiger Abschied.

Neunmal Tarantino

„Reservoir Dogs – Wilde Hunde“ (1992)
„Pulp Fiction“ (1994)
„Jackie Brown“ (1997)
„Kill Bill“ (Volume 1: 2003, Volume 2: 2004)
„Death Proof –
Todsicher“ (2007)
„Inglourious Basterds“ (2009)
„Django Unchained“ (2012)
„The Hateful Eight“ (2015)
„Once upon a Time . . . in Hollywood“ (2019, ab 15. 8. im Kino)
Nach zehn Filmen wolle er aufhören, sagt Tarantino – zumindest mit dem Regieführen. Dann sei er „am Ende eines Weges angelangt“.

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