Ich fahre Rad und will dafür belohnt werden

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Ich habe kein Auto. Ich verpeste nicht die Luft, ich brauche keinen Parkplatz, ich mache keinen Lärm. Ich finde, man sollte mich dafür belohnen.

Da fahre ich also wieder auf dem Ring entlang, auf dem Weg zur Arbeit, immer schön vorsichtig, natürlich, denn auf diesem Fahrradweg ist die Hölle los, dauernd kommt mir irgendjemand auf der gleichen Spur entgegen, immer wieder spaziert ein Tourist mir vor die Reifen, neuerdings gesellen sich auch noch Scooter dazu, nur unzulänglich beherrscht von ihren Benutzern. Ich habe es eilig, ich bin eh schon spät dran, aber ich komme nicht weiter, weil da vorn nämlich eine Gruppe von Sonntagsfahrern mit ihren E-Bikes alles verstopft. Und ich fange an, mich zu ärgern.

Nein, nicht über die Touristen. Wie sollen sie auch wissen, dass hier ein Radweg ist? Nicht über die Scooter, wo sollen sie denn sonst hin? Und über die Sonntagsfahrer erst recht nicht, ich würde ja jetzt auch lieber gemütlich in Richtung Burggarten cruisen, als die nächsten acht Stunden am Schreibtisch zu verbringen. Nein: Ich ärgere mich, weil ich keinen Platz habe. Besser: weil wir allesamt keinen Platz haben, nicht die Fußgänger, nicht die Rollerfahrer, nicht die Radler, ob mit elektrischem Antrieb oder ohne. Neidisch schaue ich auf die Fahrbahn mit ihren drei Spuren, die allein den Autos gehören.

Zur Arbeit und wieder zurück. Ich radle nicht zum Spaß. Auf jeden Fall nicht nur. Ich radle, um in die Arbeit zu kommen und von der Arbeit wieder nach Hause. Ich radle, wenn ich zur Post muss oder zum Arzt, wenn ich am Abend Freunde treffe oder am Wochenende ins Grüne will. Ich radle, so, wie andere Auto fahren, allerdings mache ich dabei keinen Lärm, verpeste nicht die Gegend, blase kein CO2 in die Luft, brauche fast keinen Platz – und sollte ich, obwohl ich wirklich sehr vorsichtig fahre, einmal einen Unfall verursachen, dann bricht sich der andere im allerschlimmsten Fall ein paar Knochen.

Ich glaube nicht, dass alle so leben müssen wie ich. Ja, ich weiß, dass nicht alle so leben können wie ich. Aber ich finde, die Gesellschaft sollte mein Verhalten belohnen: mit einer eigenen, breiten Spur auf dem Ring etwa. Mit Radwegen, auf denen ich mich nicht fürchten muss, weil rechts jederzeit eine Autotür aufgehen und links ein Fahrer mich so knapp überholen könnte, dass es mich schleudert. Mit einem Verkehrskonzept, das nicht Fußgänger auf Radler hetzt und umgekehrt.

Und weil mein Mann, unsere Kinder und ich seit über 20 Jahren auf ein Auto verzichten, das wir irgendwo parken müssten: Ich hätte gern einen Baum. Irgendwo in der Gasse, am liebsten vor dem Schlafzimmerfenster. Baum statt Parkplatz. Juhuu! Der lindert dann wenigstens ein klein wenig die klimawandelbedingte Hitze in der Stadt.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2019)

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